Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
zu machen. Es handelt sich um einen Anwohner von Kappenstein …«
»… und Mitglied der Bürgerinitiative Kein Hollywood in Kappenstein !«
»Wenn Sie schon alles wissen – warum fragen Sie dann?«
»Ich habe nur laut gedacht.«
»Kurz und gut, der Verdächtige hat sich der Verhaftung widersetzt. Als die Kollegen an der Tür klingelten, hat er einen Schuss abgefeuert. Zum Glück ist niemand verletzt worden.«
»Und jetzt?«
»Jetzt räuchern wir das Schwein aus.«
Das Haus des Verdächtigen lag etwas abseits, soweit man bei Kappenstein von einem Zentrum sprechen konnte. Die Gegend ringsum war großräumig abgesperrt. Ganz Kappenstein hatte sich hinter einem rot-weißen Begrenzungsband versammelt, aufmerksam beobachtet von einem Trupp Bereitschaftspolizisten in Kampfausrüstung. Auch die Medien hatten schon Wind von dem Ereignis bekommen. Ich zählte drei tragbare Kameras und fünf Funktelefone mit dazugehörigem Personal.
Ein quer gestellter Streifenwagen auf der Landstraße setzte ein Stück zurück, damit wir durchfahren konnten. Bis auf etwa hundertfünfzig Meter kamen wir an das Haus heran. Es war ein schlichter, zweistöckiger Bau, gemauert aus den zeitlosen roten Ziegeln, die hier überall Verwendung fanden. Hinter dem Haus stand eine wackelige Holzscheune, die anscheinend nicht mehr benutzt wurde. Vor dem Haus erstreckte sich ein kleiner Garten mit Blumen und Gemüse. Jetzt konnte ich auch die Scharfschützen erkennen, die in den Maisfeldern lagen und um die Ecke der Scheune lugten. Eine kleine Wagenburg, bestehend aus zwei Bullis, drei Streifenwagen und mehreren Zivilfahrzeugen, befand sich offensichtlich außerhalb der Schussweite.
»Und wo ist Stürzenbecher?«, fragte ich.
Der Fahrer zeigte auf ein Zivilfahrzeug. Stürzenbecher saß entspannt hinter dem Lenkrad, die Fahrertür weit geöffnet. Ich schlenderte hinüber und setzte mich auf den Beifahrerplatz.
Stürzenbecher grinste mich an. »Tolle Show, was? Und das ist nur der Anfang. Lewandowski hat Luft- und Bodentruppen angefordert. Er möchte die Eroberung des Davidianer-Zentrums in Waco-County kopieren.«
»Was ist eigentlich passiert?«
»Wie ich dir prophezeit habe, ist Lewandowski auf den Drohbrief voll angesprungen. Er hat zehn Leute darauf angesetzt, und nach drei Stunden hatten wir den Absender. Für meinen Geschmack war das viel zu einfach.«
Kriminaloberrat Lewandowski kletterte aus einem der Bullis und warf einen Feldherrenblick zum belagerten Haus hinüber.
»Fehler Nummer eins«, fuhr Stürzenbecher fort. »Der Brief wurde in Gelmer eingeworfen. Das lenkte den Verdacht natürlich sofort auf Kappenstein. Die Buchstabenanalyse erbrachte, dass ein Teil der Buchstaben aus dem Bistumsblatt ausgeschnitten worden sind. Davon gibt es in Kappenstein drei Abonnenten. Unser Freund da drüben ist der Ehemann der dritten.«
»Wer ist es?«
»Hermann Leukes, von Beruf Metzger, siebenundvierzig Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder.«
»Ist die Familie auch im Haus?«
»Nein. Die Kinder waren noch in der Schule, die Frau beim Einkauf.«
»Hältst du Leukes für den Killer?«
»Nein.« Stürzenbecher schabte sein Nase. »Aber das ist meine Meinung. Lewandowski sieht das ganz anders. Leukes ist vorbestraft. Zwei Schlägereien, eine davon mit schwerer Körperverletzung. Außerdem verprügelt er seine Frau, im letzten Jahr war sie drei Monate im Frauenhaus.«
»Und er hat auf Polizisten geschossen«, ergänzte ich.
»Ja. Allerdings ist fraglich, ob es sich um einen gezielten Schuss gehandelt hat. Leukes ist Jäger. Wenn er einen der Polizisten hätte umbringen wollen, wäre es für ihn leicht möglich gewesen. Nach allem, was wir wissen, ist der Typ ein Choleriker, leicht erregbar, mit Tendenz zu Kurzschlusshandlungen. Als die Polizisten bei ihm auftauchten, hat er durchgedreht und in Panik geschossen.«
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte ich. »Der Grünen-Killer arbeitet nach einem ausgetüftelten Plan, er vermeidet jegliches Risiko.«
»Richtig«, bestätigte Stürzenbecher. »Er ist intelligent, eine kranke Intelligenz zwar, aber durchaus zielgerichtet. Leukes ist zu blöd, um die Morde zu begehen. Allein die Nummer mit der Goldfarbe übersteigt seinen Horizont.«
Lewandowski hob ein Megafon an den Mund. Blechern schepperte es über die Felder und Wiesen: »Dies ist die letzte Warnung. Herr Leukes, ich fordere Sie auf, mit erhobenen Händen herauszukommen. Sie haben keine Chance. Falls Sie der Aufforderung in den nächsten
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