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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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fünf Minuten nicht nachkommen, werden wir das Haus stürmen.«
    Dann reichte er das Megafon an eine zierliche Frau weiter, die im beigefarbenen Wintermantel neben ihm stand. »Hermann!« Ihre hohe Stimme kippte. »Mach doch keinen Unsinn! Bitte denk an die Kinder! Wir werden dir …«, sie schluchzte und musste von Lewandowski gestützt werden, »… helfen.«
    Eine Gardine in der ersten Etage bewegte sich, und kurz war die Silhouette eines Mannes zu erkennen. Aus Stürzenbechers Funkgerät, das vor der Frontscheibe lag, drangen aufgeregte Stimmen.
    »Funkdisziplin«, bellte Lewandowski.
    »Gruppe eins. Wir haben ihn im Visier.«
    »Nicht schießen!«, kommandierte Lewandowski. »Es wird nur auf meine Anordnung geschossen.«
    »Der Idiot geht nicht ans Telefon«, sagte Stürzenbecher. »Das Beste wäre, ihn eine Nacht schmoren zu lassen. Aber das passt Lewandowski nicht in den Kram. Er möchte die Erstürmung rechtzeitig vor den Hauptabendnachrichten über die Bühne bringen. Das heißt: so rechtzeitig, dass er auch noch Interviews geben kann.«
    Ein drohendes Brummen erfüllte die Luft. Über den Alleebäumen auf der rechten Seite erschien ein Hubschrauber. Langsam näherte er sich Leukes’ Haus und schwebte dann ein paar Meter über dem Dach.
    Ich steckte mir einen Zigarillo an und öffnete die Wagentür. Die Luft war angenehm mild. In diesem Jahr entschädigte der Herbst für einen verregneten Sommer.
    »Ich hoffe, sie erwischen ihn lebend«, meinte Stürzenbecher. »Ich wüsste zu gern, ob er für die Tatzeiten Alibis hat.«
    Ein gepanzertes Polizeifahrzeug rollte heran. Das Monstrum stoppte, und der Fahrer kletterte heraus. Wir sahen, wie Lewandowski auf ihn einredete und mit energischen Bewegungen zum Haus deutete.
    »Was haben die vor?«, fragte ich.
    »Was glaubst du wohl?«, höhnte Stürzenbecher. »Frontalangriff mit der Brechstange.«
    Sechs Polizisten mit Schusswesten und Gasmasken nahmen hinter dem Panzerwagen Aufstellung. Der Fahrer saß bereits wieder hinter dem Lenkrad. Durch das Funkgerät hörten wir Lewandowskis Befehle. Der Wagen ruckte an, verließ im Schritttempo die Straße und walzte durch das Maisfeld, das bis zum Garten der Leukes reichte. In gebückter Haltung folgte der Sechser-Trupp.
    Nur noch wenige Meter bis zu dem weißen Gartenzaun. Da wurde plötzlich ein Fenster aufgerissen, und Leukes’ Oberkörper erschien gut sichtbar in der Öffnung. In der rechten Hand hielt er ein Gewehr. Wild gestikulierend wollte er den Wagen zum Stoppen bringen. Und tatsächlich hielt das dunkelgrüne Monstrum an.
    »Weiterfahren!«, kommandierte Lewandowski.
    »Scheiße«, sagte Stürzenbecher.
    Der Gartenzaun knickte wie ein Strohhalm. Unbeirrt pflügte der Panzerwagen durch die Blumenbeete. Leukes legte das Gewehr an und schoss. Es gab einen singenden Ton, als die Kugel von den Stahlplatten abgelenkt wurde.
    »Sieht so aus, als hätte er Angst um seine Blumen«, sagte ich fassungslos.
    »Feuer!«, schrie Lewandowski.
    Gewehre bellten auf, mehrere Fensterscheiben zersprangen, und dicker weißer Rauch quoll aus dem Inneren. Leukes war verschwunden.
    Ich guckte Stürzenbecher fragend an.
    »Tränengas«, sagte er mit ausdruckslosem Gesicht.
    Ein satterer Knall folgte, und weißes Licht explodierte in Leukes’ Wohnzimmer.
    »Blendgranate«, sagte Stürzenbecher.
    Der Hubschrauber berührte jetzt fast das Dach. Zwei schwarz gekleidete Gestalten hangelten heraus und ließen sich bis zur Dachrinne hinuntergleiten. Schräg über ihnen befand sich eine Dachluke. Die beiden Schwarzen waren schwindelfrei und absolute Profis. Blitzschnell hatten sie das Glas eingeschlagen und sich in den Dachstuhl geschlängelt.
    »Wo lernt man das?«, fragte ich Stürzenbecher.
    »Nicht auf der Polizeischule«, gab er zur Antwort. »Das ist so eine Elitetruppe aus Bonn.« Er schüttelte den Kopf. »Fragt sich nur, ob der ganze Zinnober gerechtfertigt ist. Wenn ich das Kommando hätte …«
    »Was wäre dann?«
    Stürzenbecher bekam einen schmalen Mund. »Ich bin sicher, ich hätte Leukes abgekocht. Auch ohne dieses Weltkriegsszenario.«
    »Wieso sitzt du überhaupt in aller Seelenruhe hier herum, während sich deine Kollegen abrackern?«
    Er grunzte. »Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Chef. Ich war der Auffassung, dass wir die Artillerie zu Hause lassen sollten. Daraufhin hat er mir nahegelegt, mich aus den Entscheidungsstrukturen herauszuhalten.« Das Lenkrad erhielt einen Klatsch. »Ich verstehe auch,

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