Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
natürlich auch ältere Mitglieder.«
»Das habe ich mir schon gedacht.« Ich lächelte unentwegt weiter.
»Soll ich Ihnen ... jemanden vorstellen?«
»Das wäre sehr nett von Ihnen.«
Sie stellte sich in den Eingang zum größeren Raum und rief: »Ina, Yvonne, könnt ihr mal kommen?«
Zwei Teenies, deren blasse Haut auffallend mit ihren schwarzen Gewändern kontrastierte, begutachteten mich mit kaum verhohlener Skepsis. Die Ladenchefin stellte sie vor und sagte dann: »Der Herr ...«
»Albers«, lächelte ich.
»... möchte etwas über den Verein für Naturschutz erfahren. Da könnt ihr ihm doch weiterhelfen.«
Die Teenies nickten, nun weniger skeptisch.
Ich wiederholte meine Geschichte. Die Ladenchefin hatte sich inzwischen an die kleine Theke des Ladens begeben und kontrollierte eine Liste, wobei sie sich kein Wort unseres Gespräches entgehen ließ.
»Für Vögel machen wir auch Lobby«, sagte Ina. »Aber unser Aktionsschwerpunkt ist im Moment das Dinklager Moor. Durch das Moor soll eine Umgehungsstraße gebaut werden. Verstehen Sie, was das bedeutet? Das Moor ist unheimlich wichtig für Kröten, Vögel und andere Tiere. Da wird brutal Lebensraum vernichtet, nur damit die Autos schneller um Disselburg herumkommen.«
»Eine Schande, dass so ein Feuchtgebiet nicht erhalten wird«, pflichtete ich bei.
»Da haben Sie recht«, sagte Yvonne. »Wir planen eine Aktionswoche, mit Unterschriftenliste und so. Wir sind froh über jeden, der mitmacht.«
Ich versicherte, dass ich darüber nachdenken würde, und sie erzählten, wann und wo das nächste Vereinstreffen stattfinden sollte.
»Aber, abgesehen vom Dinklager Moor«, versuchte ich es noch einmal, »mein Spezialgebiet sind nun mal Vögel, genauer gesagt, bedrohte Vogelarten. Ich kenne fast jeden Vogel auf der Welt. Und schlimm finde ich, wenn sich sogenannte Tierliebhaber hier bei uns über dunkle Kanäle Vögel besorgen, die auf der Artenschutzliste stehen.«
Inas Interesse ließ sichtbar nach. »Ja, schon«, sagte sie lahm. »Andererseits können wir nicht alles gleichzeitig machen. Im Moment ist das Dinklager Moor angesagt. Wenn wir geschafft haben, dass es erhalten bleibt, sehen wir weiter.«
»Gibt es denn in eurem Verein Vogelexperten, mit denen ich mich austauschen könnte?«
Ina schaute Yvonne an.
»Nee«, sagte Yvonne. »Jedenfalls keinen, der so viel Ahnung von Vögeln hat wie Sie.«
Einen Versuch war es immerhin wert gewesen. Vom Pfarrheim ging ich zum Büro des Disselburger Wochenblattes. Ich war gespannt, wie Max Mehring auf den Knochenfund reagieren würde.
Beim Disselburger Wochenblatt herrschte Hochbetrieb. Die neue Ausgabe war aus der Druckerei eingetroffen und Horst Hartmann, dicke Schweißperlen auf der Stirn, organisierte die Verteilung. Schüler und Menschen mit dunkleren Hautfarben stopften Zeitungspakete in fahrbare Einkaufstaschen.
»Max hat heute seinen freien Tag«, sagte Hartmann, nachdem sich das Ladenlokal geleert hatte. »Aber heute Abend muss er noch mal ran. Da findet im Rathaus die Gemeinderatssitzung statt.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Es geht um die neue Umgehungsstraße. Wichtige Sache.«
Ich klemmte mir eine Zeitung unter den Arm und schlenderte durch die Fußgängerzone. Beim Schlendern wählte ich Mehrings Privatnummer. Er war nicht zu Hause oder nahm nicht ab.
Nun gut, dann würde ich eben die Gemeinderatssitzung besuchen. Es gab Schlimmeres, zum Beispiel in dunklen Parks von attentäterischen Erpresser-Jugendlichen niedergeschlagen zu werden.
Bei einem Eiskaffee, den ich unter dem Sonnenschirm meines Lieblings-Italieners einnahm, las ich das Wochenblatt. Aufmacher war ein Artikel über eine »staatlich anerkannte« Wahrsagerin, die im Gasthof Börding logierte und möglichst vielen Disselburgern die Karten legen wollte, gegen Bares selbstverständlich. Ein Bericht über die positiven Aussichten für die diesjährige Kartoffel- und Zuckerrübenernte war garniert mit einem Foto des Disselburger Bauernvereins-Vorsitzenden. Anton Legemann-Wiesinger sah aus wie eine Riesenkartoffel im Flanellhemd. Auf Seite drei gab es ein vierspaltiges Foto, das einen blonden Pummel zeigte, der mit verkniffenem Gesichtsausdruck versuchte, einen Fußball zu treffen. Die Unterzeile lautete: »Dennis Huckebrink trug wesentlich dazu bei, die E-Jugend von TuS Disselburg 09 zum 3:2-Sieg zu schießen.«
Der Artikel über das Dinklager Moor war auf einer der hinteren Seiten versteckt. Naturschutz galt unter
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