Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Zeitungsbesitzern nicht als das beste redaktionelle Umfeld für Anzeigen. Doch immerhin hatte sich Mehring bemüht, die Argumente der Naturschützer sachlich aufzulisten. Am Ende kam dann allerdings Bürgermeister Huckebrink zu Wort: »Menschen sind wichtiger als Kröten. Disselburg braucht eine Umgehungsstraße.«
Im Rathaus kochte des Volkes Stimmung. Hinter den im Kreis aufgestellten Sesseln der Ratsmitglieder gab es drei dicht besetzte Zuschauerbänke. Auf der einen Seite erkannte ich Yvonne, die zusammen mit anderen Naturschützern ein Transparent hochhielt, das die Aufschrift Rettet das Dinklager Moor! trug. Was einer anderen Gruppe von Zuschauern nicht zu gefallen schien, die die Krötenfreunde mit giftigen Kommentaren überschüttete. Nicht schwer zu erraten, dass es sich um die Befürworter der Umgehungsstraße handelte.
Horst Hartmann, der sein Hemd gewechselt hatte, aber auch das neue bereits heftig voll schwitzte, saß unter den Ratsmitgliedern. Max Mehring dagegen war nicht zu sehen.
Ich nahm auf der noch leeren Pressebank Platz. Die Luft war zum Schneiden stickig.
Nach und nach füllten sich die Sessel der Volksvertreter. Eine, mit der ich nicht gerechnet hatte, war Anke Schwelm. Sie winkte den Naturschützern zu und machte, nachdem sie mich entdeckt hatte, einen kleinen Umweg.
»Interessieren Sie sich für Politik?«
»Nicht unbedingt. Ich warte auf Max Mehring.«
»Ach, der Max. Der darf ja nur schreiben, was sein Chef ihm erlaubt.«
»Hartmann?«
Sie nickte. »Dreimal dürfen Sie raten, für welche Partei Hartmann im Rat sitzt. Für die, die überall im Münsterland das Sagen hat.«
»Und Sie?«
Sie grinste. »Ich vertrete die Grünen. Wir haben zwar keinen Einfluss, doch ich hoffe, es gelingt uns heute, die Betonfraktion mächtig zu ärgern. Die Bürgerinitiative für das Dinklager Moor macht ihnen schwer zu schaffen. Da sind ein paar ehrenwerte Bürger drunter, die sie nicht einfach als Radikale abstempeln können.«
Bürgermeister Huckebrink schlug gegen eine Glocke, bat um Ruhe und eröffnete die Sitzung. Anke Schwelm eilte zu ihrem Sessel und dann erschien auch Max Mehring.
Er sah angespannt aus, begrüßte seinen Chef mit einem stummen Blick und setzte sich neben mich.
Ich reichte ihm die Hand. »Können wir kurz miteinander reden?«
Er schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht. Ich muss zuhören. In der Sitzungspause.«
Zwangsläufig hörte ich ebenfalls zu. Und allmählich begriff ich, dass eigentlich alle für eine Umgehungsstraße waren. Es gab allerdings die Alternative zwischen einer ortsnahen Umgehung, die haarscharf an den Außenbezirken von Disselburg vorbeiführte und die dort ansässigen Hausbesitzer auf die Palme brachte, und einer ortsfernen Umgehung, die das Dinklager Moor zerschnitt und für die Naturschützer inakzeptabel war.
Die Diskussion unter den Ratsmitgliedern wogte heftig bis beleidigend hin und her, häufig unterbrochen von Buh-Rufen und frenetischem Klatschen der Zuschauer. Bürgermeister Huckebrink bimmelte seine Glocke heiser, während er versuchte, die Gemüter zu beruhigen.
Am Ende empfahl eine Mehrheit des Gemeinderates dem Kreistag in Bocholt, die ortsferne Umgehungsstraße durch das Dinklager Moor zu bauen. Die CDU und ein Großteil der SPD stimmten dafür, ein paar SPD-Dissidenten und die Grünen dagegen.
Erschöpft, aber mit der Genugtuung des Siegers verkündete Huckebrink eine Sitzungspause.
Mehring, der eifrig mitgeschrieben hatte, winkte mich nach draußen. Im Vorraum suchten wir uns eine stille Ecke. Ich steckte mir einen Zigarillo in den Mund und wollte gerade loslegen, als Anke Schwelm sich neben uns aufbaute.
Ihr Gesicht war vor Aufregung gerötet. »Hallo, Max!«
»Hallo, Anke!«, sagte Mehring verlegen.
»Na, was schreibst du jetzt? Die Vernunft hat gesiegt oder so einen Quatsch?«
»Anke, du weißt genau ...«
»Ich weiß, dein Onkel Horst pfeift und du machst Männchen.«
»Anke!«
»Ach, vergiss es!« Sie drehte sich auf dem Absatz um.
»Die hat gut reden.« Mehring strich sich die Haare aus der Stirn. »Wenn ich Ladenbesitzer wäre und demnächst halb Disselburg erben würde, könnte ich mir auch eine eigene Meinung erlauben.«
Er tat mir leid, wenn auch nicht allzu sehr.
Und endlich kam ich dazu, ihm von dem Knochen zu erzählen, den die Erpresser vor dem Schlossportal deponiert hatten.
Mehring wurde bleich. »Ein Knochen? Was für ein Knochen?«
»Das wird noch untersucht. Sieht allerdings aus wie ein
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