Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
die Leiche gefunden und machen sich nun einen Spaß daraus, Sie damit zu ärgern.«
»Um Himmels willen. Dieser Spuk muss ein Ende nehmen. Meine Frau ist einem Nervenzusammenbruch nah.«
»Herr Wilsberg und die örtliche Polizei arbeiten ja daran«, beruhigte ihn Stürzenbecher. »Die Mordkommission tritt erst auf den Plan, wenn es sich tatsächlich um ein Gewaltverbrechen handelt. Fürs Erste werden wir mal dem Polizeichef, Oberkommissar ... wie heißt er noch gleich?«
»Fahlenbusch«, sagte ich.
»Richtig – ... einen Besuch abstatten.« Stürzenbecher nahm meinen Arm und führte mich die Treppe hinunter. »Du warst doch auch nicht untätig«, sagte er mit leiser Stimme. »Was hast du entdeckt?«
»Nur ein paar vage Spuren, nichts Handfestes.«
»Komm schon! Spiel nicht den Geheimniskrämer!«
»Sobald ich jemanden in Verdacht habe, bist du der Zweite, der es erfährt – nach dem Grafen.«
Wir kamen auf den Innenhof und schlenderten zu Stürzenbechers Auto. Kommissarin Hülting folgte uns mit dem beleidigten Gesichtsausdruck einer zu Unrecht Übergangenen.
»Eines kann ich dir aber schon verraten.«
»Und das wäre?«
»Oberkommissar Fahlenbusch ist eine Flasche. Der wird die Täter nie finden.«
Stürzenbecher nickte. »So etwas habe ich befürchtet.«
Ich fand den Grafen in seinem Büro. Er starrte gebannt auf den Monitor seines Computers.
»Ach, Sie!« Sein Bedauern über die durch mich verursachte Ablenkung war unüberhörbar. »Ich bin erstaunt, welch guten Kontakt Sie zur Polizei haben.«
»Zur münsterschen, speziell zu Hauptkommissar Stürzenbecher. Zwischen Oberkommissar Fahlenbusch und mir wird das Eis wohl nie brechen.«
Der Graf lächelte mich milde an. »Wirklich schade, dass Stürzenbecher nicht die Leitung der Ermittlungen übernimmt. Er macht einen kompetenten Eindruck.«
»Solange es nur um Sachbeschädigung, Erpressung und eventuell Grabschändung geht, ist er nicht zuständig.«
»Nur?«
»Aus seiner Sicht sind das Kinkerlitzchen.«
Der Graf schüttelte den Kopf. »Was gibt es noch, Herr Wilsberg? Ich ...«
»Der Jagdaufseher, den Sie vor einiger Zeit entlassen haben ...«
Sein Gesicht verdüsterte sich. »Wolfgang Nieswind. Was ist mit ihm?«
»Ich möchte mehr über ihn erfahren.«
»Warum? Wozu soll das dienen?«
»Das kann ich Ihnen erst hinterher sagen.«
»Das ist schon zwei Jahre her. Und eine unappetitliche Geschichte obendrein.«
»Ich bin nicht zimperlich, Herr zu Schwelm-Legden. Als Privatdetektiv habe ich schon viele unappetitliche Geschichten gehört.«
»Sie befinden sich auf Abwegen, Herr Wilsberg. Aber, nun gut: Nieswind hatte bereits anderthalb Jahre für mich gearbeitet und seine Aufgaben ganz ordentlich erledigt. Es war ihm nichts vorzuwerfen, bis zu diesem Vorfall. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er ...«
»... homosexuell war?«, half ich ihm.
»Nun, verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Wilsberg. Ich bin nicht prüde. Ich weiß, dass es Menschen mit unterschiedlichen Veranlagungen gibt. Die Geschichte des höheren Adels und der europäischen Herrscherhäuser kennt genug Männer, die dem eigenen Geschlecht zugeneigt waren. Solange jemand seine Vorlieben mit der notwendigen Diskretion auslebt, bin ich der Letzte, ihm einen Strick daraus zu drehen. In diesem Fall lagen die Dinge jedoch anders. Nieswind hatte sich an Alex, den Sohn meines Freundes Tonio van Luyden, herangemacht. Tonio war außer sich vor Wut. Er sagte, Nieswind habe den Jungen verführt, und verlangte von mir Konsequenzen. Sollte ich eine langjährige Freundschaft aufs Spiel setzen? Abgesehen davon, missfiel mir ebenfalls, dass sich diese Mesalliance quasi unter meinem Dach abspielte. Die beiden trafen sich regelmäßig in Alex' Atelier im alten Bergfried.«
»Sie meinen, dass sich Dienerschaft und Herrschaft paarte?«
»Es gibt keinen Grund, sarkastisch zu werden, Herr Wilsberg«, versetzte der Graf. »Ich denke nicht, dass Ihnen ein moralisches Urteil zusteht.«
»Wie alt ist Alex heute?«
Er überlegte. »Fünfundzwanzig, glaube ich.«
»Das heißt, vor zwei Jahren war der Junge, wie Sie ihn nennen, dreiundzwanzig. Alt genug, um über sich selbst entscheiden zu können, finden Sie nicht?«
»Worauf wollen Sie hinaus?« Der Graf wurde ungeduldig. »Tonio van Luyden ist nicht nur mein Freund, er ist auch mein wichtigster Geschäftspartner. Für mich stand außer Frage, wie ich mich zu entscheiden hatte. Und ich sehe keinen Sinn darin, in alten Geschichten zu
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