Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
therapeutische Praxis besaß, etliche Psychologen beschäftigte und immer auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten für sein Vermögen war. Wie lange hatte ich Thomas schon nicht mehr getroffen? Ich musste ihn unbedingt mal wieder anrufen. Langsam fing ich an, ein einsamer alter Wolf zu werden. Genau der Typ Mensch, den ich nicht ausstehen konnte.
Meine Gedanken kehrten zu Christine Schmidt zurück. Sie war auch Lehrerin gewesen, allerdings nicht in Bocholt, sondern irgendwo in der Nähe von Münster. Die Party hatte uns locker und fröhlich gestimmt, ich hatte ihr gefallen und sie hatte mir gefallen. Und im Bett war sie wirklich gut gewesen, eine sinnliche, erfahrene Frau.
Beim Frühstück hatte sie von ihrem Kinderwunsch erzählt. Mit verklärten Augen schwärmte sie von einem Häuschen am Stadtrand von Münster, mit Garten, Mann und vielen Kindern, die durchs Haus tollten. Der Blick, den sie mir anschließend zuwarf, und ihr erwartungsvolles Seufzen hatten meinen Magen in einen kalten Klumpen verwandelt. Meine Ehe war nicht lange zuvor brutal gescheitert und mit Sicherheit wollte ich kein Häuschen am Stadtrand von Münster, den Rasen mähen und Nachbarschaftsfeste feiern.
Sobald wie möglich hatte ich mich aus dem Staub gemacht. Es folgten Anrufe, zuerst fröhliche, dann vorwurfsvolle, bei denen ich immer neue Ausreden erfand. Und schließlich hatte sie es aufgegeben.
Sicher gab es im Münsterland Hunderte von Lehrerinnen, die Christine Schmidt hießen. Christine Schmidt war ein überaus gewöhnlicher Name, wie zum Beispiel Gerhard Schröder. Die Chance, auf meine Christine Schmidt zu treffen, war so wahrscheinlich wie die Behauptung, jeder Gerhard Schröder besitze die Fähigkeit, den Bundeskanzler zu spielen.
Als die Pausenglocke schrillte, stand ich wieder im Sekretariat. Die Sekretärin zwinkerte mir beim Hinausgehen verschwörerisch zu und ich zwinkerte lässig zurück.
Ich war ein bisschen nervös. Verdeckte Ermittlungen beinhalten stets ein gewisses Risiko. Es gibt extrem misstrauische Menschen und es gibt extreme Zufälle.
Das Letztere trat ein. Sie hatte sich die Haare schwarz gefärbt und sie war so braun, als käme sie gerade von den Malediven. Trotzdem war sie die Christine Schmidt, die ich kannte.
Die Sekretärin präsentierte mich stolz: »Der Herr hier ist von der Kriminalpolizei.«
»Dann sind Sie Frau Schmidt«, ergriff ich die Flucht nach vorn, schüttelte ihre Hand und flüsterte ihr rasch ins Ohr: »Spiel bitte mit!«
Und sie spielte mit. »Womit kann ich Ihnen helfen, Herr ...«
»Wilsberg. Es geht um Ina Fahlenbusch. Nur eine Lappalie. Aber ...«, ich schaute kurz zu der Sekretärin, die gespannt auf die Fortsetzung wartete, »... vielleicht sollten wir uns besser nach der Schule treffen, irgendwo, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«
Christine lächelte ironisch. »Tja, einem Kriminalbeamten darf man eine solche Bitte wohl nicht abschlagen. Meine letzte Stunde endet um Viertel nach eins. Kennen Sie das Café Poggenhorst?«
»Nein. Aber ich werde es finden.«
»In der Oster-Straße«, sagte die Sekretärin. »Direkt an der Georgs-Kirche.«
»Du siehst gut aus«, sagte ich, um die Atmosphäre zu entspannen.
Christine schaute mich kritisch an. »Und du bist alt geworden.«
»Na ja«, ich lächelte schief, »das ist der Beruf. Ein Detektiv muss sich bei Wind und Wetter draußen herumtreiben, sein Leben riskieren und in miesen Hotels schlafen.«
»Nennst du das Schlosshotel mies?«
Ich war verblüfft. »Woher weißt du das?«
Sie grinste. »Ich wohne in Disselburg, Georg. Der Mann meiner Nachbarin arbeitet im Schloss. Sie hat mir erzählt, dass der Graf einen Privatdetektiv engagiert hat. Und jetzt tauchst du hier auf und fragst nach Ina Fahlenbusch, die ebenfalls in Disselburg lebt.« Sie tippte sich an die Stirn. »Ich mag in mancher Hinsicht blöd sein, vor allem, was die Auswahl der Männer betrifft, die ich mit nach Hause nehme, aber ich kann noch eins und eins zusammenzählen.«
Vorbei die Hoffnung, dass es keine Abrechnung geben würde. Und sie hatte alle Trümpfe in der Hand.
»Damals ist einiges schief gelaufen«, gab ich mich reumütig. »Ich war gerade frisch geschieden, und als du von Kindern anfingst, fühlte ich mich plötzlich in der Falle.«
»Du wolltest mich bumsen und fertig. Das habe ich begriffen.«
»Nein, so war das nicht«, verteidigte ich mich. »Ich hatte keinen Plan, vorher, meine ich.« Mein Gestammel kam mir selbst kläglich
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