Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Georg.«
Mir wurde plötzlich heiß. »Wie alt ist deine Tochter?«
Sie lachte. »Ein Jahr und zwei Monate. Keine Sorge. Sie ist nicht von dir.«
Wir waren an ihrem Auto angekommen.
Christine zupfte an meinem Jackett. »Wenn du heute Abend nichts Besseres vorhast, könnten wir einen Spaziergang machen.«
Ich war nicht begeistert. Andererseits blieb mir nach Lage der Dinge keine Wahl, wollte ich mich in ihrer persönlichen Rangliste der Unmenschen nicht direkt hinter Hitler und Stalin einreihen.
VII
Als ich zum Schloss zurückkam, stand Stürzenbechers Wagen im Innenhof der Vorburg. Stürzenbecher und ich kannten uns seit mehr als zehn Jahren. Zwischen uns hatte sich sogar eine Art Freundschaft entwickelt, soweit das bei einem Privatdetektiv und einem Hauptkommissar der Kriminalpolizei überhaupt möglich war.
Stürzenbecher leitete im münsterschen Polizeipräsidium das Kommissariat für Gewaltverbrechen, und immer wenn ich bei meinen Fällen über eine Leiche stolperte, war auch Stürzenbecher nicht weit. Meistens kooperierten wir ganz gut, doch gelegentlich standen wir auch auf verschiedenen Seiten der Barrikade. Schließlich arbeitete er für den Staat und ich für mein Honorar.
Stürzenbechers Anwesenheit bedeutete, dass es sich bei dem Knochen im Karton um einen menschlichen Überrest gehandelt hatte. Leichenfunde im Münsterland, und waren sie auch noch so rudimentär, landeten automatisch auf seinem Schreibtisch.
Stürzenbecher, eine junge Frau, die ich für Stürzenbechers Assistentin hielt, und Graf Joseph zu Schwelm-Legden standen auf der großen Holztreppe des Schlosses.
»Das ist Herr Wilsberg, der Privatdetektiv, der für mich arbeitet«, stellte mich der Graf vor.
»Wilsberg«, grinste Stürzenbecher, »das hätte ich mir denken können.«
»Sie kennen sich?«, fragte der Graf erstaunt.
»O ja, Wilsberg hat schon in etlichen meiner Fälle herumgepfuscht.«
»Ich habe ihm die Täter frei Haus geliefert«, korrigierte ich.
Ich gab den Anwesenden die Hand. Die junge Frau nuschelte etwas, das wie Kommissarin Hülting klang.
»Ihr scheint nicht viel zu tun zu haben, wenn ihr wegen eines alten Knochens nach Disselburg kommt«, sagte ich.
Stürzenbecher lehnte sich gegen das Geländer. »Es ist tatsächlich ziemlich ruhig im Moment. Ich dachte, es könnte nicht schaden, mal persönlich vorbeizukommen und ein paar Worte mit dem örtlichen Polizeichef zu wechseln. Außerdem wollte Frau Hülting Schloss Disselburg sehen. Sie steht auf Schlösser.«
Die Wangen der Kommissarin färbten sich rosa.
»Habt ihr den Knochen untersucht?«
»Ja. Aber es ist nicht viel dabei herausgekommen. Der Knochen gehörte einem dreißig- bis vierzigjährigen Mann. Wie lange er tot ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Da spielt eine Rolle, wo die Leiche gelegen hat, Lufttemperatur und so weiter. Die Gerichtsmediziner legen sich nur auf einen Zeitraum von zwei bis zehn Jahren fest. Dafür ist etwas anderes bemerkenswert: Der Tote hat nie einen Sarg von innen gesehen. Das hat etwas mit dem Staub zu tun und mit Ratten, die an dem Knochen rumgenagt haben. Frag mich nicht, wie die das feststellen, Wissenschaft ist nicht meine Stärke.«
Die Kommissarin räusperte sich.
Stürzenbecher schaute sie fragend an.
»Sind das nicht vertrauliche Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, Herr Stürzenbecher?«
»Aber ich bitte Sie, Frau Hülting! Herr Wilsberg ist doch nicht die Öffentlichkeit. Oder, Wilsberg?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, bestimmt nicht.«
Hülting kniff die Lippen zusammen. Wahrscheinlich hatte sie auf der Polizeischule etwas anderes über den Umgang mit Privatdetektiven gelernt.
»Ansonsten kann man mit einem einzigen Oberschenkelknochen wenig anfangen«, fuhr Stürzenbecher fort. »Wir wissen ja nicht mal, ob ein Verbrechen vorliegt. Wäre auch möglich, dass sich der Mann in einem Loch verkrochen hat und eines natürlichen Todes gestorben ist. Es gibt so Fälle. Manche Leute sterben in ihren Wohnungen und niemand bekommt etwas mit. Irgendwann will jemand die Stromrechnung eintreiben und dann findet sich eine Leiche, die eine Fernsehzeitschrift von 1989 auf den Knien hat. Wir werden wohl warten müssen, bis wir noch mehr Teile bekommen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, ließ sich Graf Joseph vernehmen.
»Falls wir diese Typen, die Ihr Schloss demolieren, nicht vorher schnappen.«
»Worum ich sehr bitten möchte«, sagte der Graf.
»Ich schätze, die Täter haben
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