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Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Titel: Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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kommt es immer mal wieder vor, dass ein Landfahrer über den Zaun steigt und im Schlosspark campiert. Falls meine Gärtner so jemanden aufgreifen, geleiten sie ihn mehr oder weniger höflich zum Ausgang. Ich erhalte nicht in jedem Fall davon Kenntnis.« Er spitzte die Lippen. »Wäre es nicht möglich, dass dieser Landstreicher in eine gewalttätige Auseinandersetzung verwickelt war und sich dann schwer verletzt im Keller verkrochen hat, wo er an seinen Verletzungen starb?«
    »Und vor seinem Tod hat er noch eine Mauer gebaut, damit ihn niemand findet?«
    »Sie haben recht«, sagte der Graf enttäuscht. »Es muss noch jemand in die Sache verwickelt sein. Aber wer?«
    Ich wechselte das Thema: »Gibt es in Disselburg einen Autoverleih? Ohne Auto bin ich aufgeschmissen.«
    »Nein. Aber ...«, er lächelte großzügig. »Ich könnte Ihnen meinen Zweitwagen überlassen. Meine Frau hat ihn seit Monaten nicht mehr benutzt. Vorausgesetzt, Sie fahren ihn nicht auch in die Gräfte.«
    »Ich hoffe, es ist kein Rolls-Royce. Ich möchte mein Honorar nicht für Benzin ausgeben.«
    »Woher wissen Sie, dass ich englisches Design liebe? Es ist ein Rover 75.«
    Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und die Blätter der knorrigen Kastanien raschelten in der Abendbrise, als Franka und ich über den Disselburger Friedhof liefen. Die Idee, die mir zuerst albern und dann vielversprechend erschienen war, kam mir jetzt wieder albern vor.
    »Was machen wir hier eigentlich?«, meinte ich frustriert. »Kannst du mir sagen, wonach wir suchen?«
    Franka ließ sich nicht von meinem Pessimismus anstecken. Sie ging die Gräberreihen entlang und betrachtete jedes Grab aufmerksam.
    »Bald sehen wir überhaupt nichts mehr«, maulte ich.
    »Und was hältst du davon?«
    »Wovon?«
    Sie zeigte auf ein Grab. Die vermoderten Kränze verrieten, dass der Vereinskamerad, Sangesbruder, Vater, Ehemann und Onkel Ernst Westhues verstorben war. Auf den Nachbargräbern lagen Erdklumpen und abgerissene Blumen, und auch die Kränze waren vermutlich mal ordentlicher drapiert worden.
    »Sieht das nicht so aus, als ob da gegraben worden wäre?«
    »Das ist ein frisches Grab«, belehrte ich sie. »Da wird notwendigerweise gegraben.«
    »Aber nicht so. Fragen wir doch einfach die Witwe.«
    Manchmal war es sinnlos, Franka zu widersprechen. Sie würde so lange quengeln und mich nerven, bis ich schließlich nachgab.
    Also stimmte ich gleich zu.
    Ernst Westhues stand posthum im Telefonbuch und wir verfuhren uns nur dreimal, bevor wir die Kate an der Straße nach Dinxperlo fanden, in der er vor seinem Ableben gewohnt hatte.
    Seine Witwe war eine Frau um die siebzig mit grimmigem Gesicht und stechenden Augen. Wir erzählten ihr, dass wir Reporter der Kreiszeitung seien und an einem Artikel über Grabschändung arbeiten würden.
    »Artikel?«, fuhr sie uns an. »Das nützt doch gar nichts. Einsperren sollte man die. Diese verdammten Jugendlichen.«
    »Welche Jugendlichen?«, fragte ich.
    »Na die, die schwarze Messen auf dem Kirchhof feiern und anderen gotteslästerlichen Unfug treiben. Eine Schande ist das! Wenn mein Kind so etwas machen würde, würde ich ihm den Kopf waschen, dass ihm noch wochenlang die Ohren klingeln.«
    Das glaubte ich ihr ohne Weiteres.
    Sie schimpfte noch eine Weile weiter, bis es mir gelang, die eine oder andere Zwischenfrage zu stellen. Dabei kam heraus, dass sie ihr Wissen über das, was Jugendliche auf Friedhöfen trieben, aus einem Fernsehbericht bezogen hatte. Tatsächlich hatte sie keine Ahnung, wer sich am Grab ihres verstorbenen Mannes vergangen hatte. Aber dass es nicht mehr so aussah wie einen Tag nach der Beerdigung war ja auch schon bemerkenswert.

XII
    Es musste ja so kommen. Es konnte einfach keinen besseren Zeitpunkt für den längst überfälligen ersten Regenschauer des Herbstes geben, als der Moment, in dem die Friedhofsgärtner begannen, das Grab von Ernst Westhues auszuheben. Und es war kein zartes Tröpfeln, kein angenehm milder Sprühregen, nein, es war ein prasselnder Sturzregen, eine kalte Klatsche, die sich über uns ergoss wie eine überlaufende Badewanne.
    Stürzenbecher, Franka und ich spurteten zu der nächsten Kastanie, deren Blätterdach uns vorübergehend Schutz bot.
    »Scheißwetter«, fluchte Stürzenbecher.
    Nach so vielen Sonnentagen hatten wir fast vergessen, wie sich das Standardwetter in unseren Breitengraden anfühlte. Der ausgetrocknete Boden rings um uns herum schluckte dagegen das kühle Nass, als hätte er

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