Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
führte und den Schlossparkplatz mit der Landstraße verband. Deshalb gab es keinen Grund anzunehmen, dass das einundzwanzigste Mal ein Problem darstellen würde. Und so war ich vollkommen überrascht, als bei der Anfahrt auf die Brücke plötzlich die Lenkung versagte. Ich kurbelte am Lenkrad und der Wagen fuhr einfach geradeaus.
Auch das allein hätte noch nicht für eine Katastrophe gereicht. Ich hielt mich an die vorgeschriebenen dreißig Stundenkilometer, Zeit genug für eine Vollbremsung. Wäre da nicht meine Schrecksekunde gewesen, das vollkommene Erstaunen über ein Auto, das nicht mehr dem Willen seines Lenkers gehorcht. Als ich auf die Bremse trat, befand sich der Kühlergrill schon unmittelbar vor dem Geländer, und als der Wagen endlich zum Stehen kam, ragte der vordere Teil bedrohlich weit über die Brücke hinaus.
»Georg!«, kreischte Franka.
Die Situation verwandelte sich in eine Superzeitlupe. Was in Echtzeit wohl nur drei Sekunden dauerte, brannte sich wie ein kompletter Spielfilm in mein Gedächtnis. Ganz langsam neigte sich die Motorhaube zum Wasser und dann rutschte das Auto in die Gräfte.
Frankas angespitzte Fingernägel durchbohrten mein Jackett und krallten sich in meinem Oberarm fest.
»Keine Panik!«, schrie ich.
»Keine Panik?«, schrie Franka zurück.
Mein Herz raste, setzte aus, veranstaltete einen Salto oder was auch immer in der Brust. Nur jetzt keine Herzattacke, dachte ich. Wenn du ohnmächtig wirst, ist es aus.
Ich atmete flach. »Wir müssen warten, bis das Auto voll gelaufen ist, dann lassen sich die Türen leichter öffnen.«
Franka brüllte: »Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Ich hatte keine Ahnung, ob sie mich gehört hatte.
Unbestimmte Zeit schwamm der Wagen an der Oberfläche, bevor er nach unten sackte. Weich setzte er auf dem modrigen Grund auf. Das Wasser der Gräfte war trüb und voller Pflanzen, vom Wasserspiegel war nicht mehr zu sehen als ein blassgrüner Schimmer. Trotzdem schätzte ich die Wassertiefe auf höchstens zwei Meter. Eigentlich nicht viel.
Die Brühe gurgelte durch die Türritzen, unsere Füße waren bereits nass. Und das Wasser war verdammt kalt. Warum hatte es nicht wenigstens Schwimmbadtemperatur?
In solchen Augenblicken denkt man an die verrücktesten Sachen. Ich erinnerte mich an eine Folge der Fernsehshow Wünsch dir was!, die ich als Kind gesehen hatte. Damals hatten Dietmar Schönherr und Vivi Bach eine vierköpfige Familie samt Auto in einem Wasserbassin versenkt. Die Aufgabe bestand darin, lebend und aus eigener Kraft aus dem Auto herauszukommen. Alle hatten es geschafft – bis auf die Mutter. Die musste von Tauchern herausgezogen werden. Wirklich schade, dass hier keine Taucher herumschwammen.
»Ich will raus!«, kreischte Franka. Das Wasser reichte uns jetzt bis zur Brust.
»Versuchen wir's«, sagte ich.
Ich drückte gegen die Tür. Es war, als würde auf der anderen Seite ein Elefant seinen Hintern dagegen stemmen. Aber ich schaffte es, sie einen Spalt zu öffnen, quetschte mein Bein und dann meinen ganzen Körper in die Öffnung und gelangte hinaus.
Franka drückte auf ihrer Seite – mit weniger Erfolg.
Ich griff ins Wageninnere und zog sie am Arm auf meine Seite. Und irgendwie kamen wir japsend und Wasser spuckend an die Oberfläche.
Kurze Zeit später lagen wir auf der Uferböschung, begafft von einer Senioren-Reisegruppe. Mein Herz hämmerte immer noch wie eine durchgebrannte Turbine, aber allmählich verschwanden die schwarzen Flecken vor meinen Augen.
Franka spuckte ein Stück Alge aus. »Wieso bist du nicht um die Kurve gefahren?«
»Weil ein verfluchtes Arschloch die Lenkung manipuliert hat«, keuchte ich.
Polizei und Feuerwehr trafen ein. Die Disselburger Polizisten behandelten mich wie einen Idioten. Sie unterstellten mir, ich sei aus reiner Blödheit in die Gräfte gefahren, und redeten von einem Verfahren wegen Sachbeschädigung und einer Blutprobe. Ich hielt das für eine Retourkutsche, weil ihr geliebter Anführer, Oberkommissar Fahlenbusch, am Morgen vom Chef der Kreispolizei suspendiert worden war, was sie mir anscheinend persönlich ankreideten.
Nach einigem Geplänkel wurde ich wütend, schnauzte sie an und verlangte, dass die Lenkung des Wagens untersucht werden solle. Mein Gefühlsausbruch hemmte ihren bürokratischen Verfolgungseifer, allerdings war ich skeptisch, ob sie meinen Auftrag ausführen würden. Ich nahm mir vor, mit Stürzenbecher darüber zu reden.
Währenddessen hatten die
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