Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
müssen.«
Joseph zu Schwelm-Legden lächelte. »In den früheren Jahrhunderten waren die Menschen zwar kleiner als heute, aber so klein nun auch wieder nicht. Das gräfliche Paar, dem das Bett gehörte, hat im Sitzen geschlafen.«
»Wieso das denn?« Franka starrte ihn mit offenem Mund an.
»Zu der Zeit befürchteten die Menschen, sie würden ersticken, wenn sie im Liegen schlafen würden. Ein Aberglaube, der sich lange gehalten hat.«
Stürzenbecher räusperte sich. »Das ist ja alles sehr interessant ...«
»Schade, dass wir schon wieder abreisen müssen«, unterbrach ihn Franka ungerührt. »Ich wäre gerne noch ein paar Tage geblieben.«
Das war mein Stichwort. »Tatsächlich sollten wir uns jetzt zurückziehen. Unser Auftrag ist erfüllt.« Ich reichte dem Grafen die Hand. »Sie erhalten von mir einen Abschlussbericht und die Rechnung.«
Der Graf nickte nachdenklich. »Lieber wäre es mir, Sie würden noch bleiben. Das geht nicht gegen die Mordkommission«, sagte er mit einer entschuldigenden Handbewegung zu Stürzenbecher. »Aber in meinem eigenen Interesse möchte ich natürlich wissen, um wen es sich bei dem Toten handelt.«
Ich spürte einen Tritt gegen den Unterschenkel. »Warum nicht? Gilt das auch für meine Assistentin?«
»Selbstverständlich«, gab sich Graf Joseph charmant. »Schließlich hat die junge Dame den entscheidenden Tipp zur Ergreifung der Vandalen geliefert.«
Das saß.
XI
Auf der Außenterrasse des Schlosscafés genossen wir wieder einmal einen der angeblich letzten warmen Tage des Jahres, von denen sich nun schon so viele aneinandergereiht hatten. Ich ließ meinen Blick über die Gräften und die Parklandschaft schweifen. Noch ein paar Tage Disselburg. Warum nicht?
Allmählich hatte ich mithilfe von zwei Cappuccini meine Müdigkeit abgeschüttelt. Franka war Feuer und Flamme für den neuen Auftrag. Der Supermarkt-Job musste schlimmer gewesen sein, als ich gedacht hatte.
Ich schob mir ein Stück Erdbeerkuchen in den Mund.
»Nun erzähl schon!«, drängte Franka.
Sie wollte alles wissen, was ich in der vergangenen Woche herausgefunden hatte. Also berichtete ich von den Disselburger Naturfreunden und ihrem Kampf gegen die Umgehungsstraße durch das Dinklager Moor, dem Vogel-Tick des Grafen, seinem missratenen, arroganten Sohn und der aus der Art geschlagenen, sympathischen Tochter, der anhaltend depressiven Phase des Künstlers Alex van Luyden und seiner unglücklichen Liebe zu dem Jagdaufseher Wolfgang Nieswind, die ein abruptes Ende gefunden hatte, schließlich von dem merkwürdigen Verhalten des Lokalreporters Max Mehring und seiner kryptischen Drohung.
»Die Frage, auf die wir uns konzentrieren müssen«, fasste ich meine Überlegungen zusammen, »lautet: Wer hat die restlichen Knochen aus dem Hohlraum weggeschafft und die Wand wieder zugemauert, wenn es, wovon wir wohl ausgehen können, nicht Ina und Michael waren?«
»Der Mörder«, schlug Franka vor. »Er hat mitbekommen, dass die beiden auf das Skelett gestoßen waren, und versucht, das restliche Beweismaterial zu beseitigen.«
Ich blinzelte gegen die tief stehende Sonne. »Ein naheliegender Gedanke.«
»Du könntest mich ruhig loben«, meinte Franka. »Das war ein sehr guter Gedanke.«
»Von mir aus«, sagte ich gnädig. »Allerdings hat der Mörder seine Aktion zu spät gestartet. Ina und Michael waren bereits im Besitz des Schädels und der bietet nun mal die beste Möglichkeit, jemanden zu identifizieren.«
»Wegen der Zähne«, platzte Franka heraus. »Findet man den Zahnarzt des Opfers und hat dieser noch ein Röntgenbild im Archiv, ist der Fall genauso klar wie bei einem Fingerabdruck. Ich gucke gelegentlich auch Fernsehen, Georg.«
»Okay«, ging ich darüber hinweg. »Wenden wir uns der zweiten Frage zu: Wo könnte der Mörder die Knochen versteckt haben?«
Wir verfielen in Schweigen. Ich aß meinen Erdbeerkuchen zu Ende und steckte einen Zigarillo an.
Schließlich sagte Franka: »Auf dem Friedhof.«
»Das ist doch albern.«
»Überhaupt nicht«, beharrte Franka. »Am besten versteckt man Dinge da, wo sie ganz offensichtlich sind. Und wo gibt es die meisten menschlichen Knochen? Auf dem Friedhof.«
Ich dachte darüber nach. Ihrem Argument ließ sich ein gewisser Charme nicht absprechen.
»Na schön. Schauen wir uns den Disselburger Friedhof an.«
Schon mindestens zwanzig Mal war ich über die kleine, nur mit Holzgeländern abgesicherte Brücke gefahren, die über den äußersten Wassergraben
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