Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Firma wäre es aufgefallen. Tatsache ist, dass die BioMedic-Zentrale in den USA Grundlagenforschung in der Gentherapie betreibt. Unter anderem sucht man auch nach einer Möglichkeit, Osteoporose zu verhindern oder zumindest zu stoppen.«
»Und? Hat man eine gefunden?«, fragte ich.
»Ja. Aber es gab Schwierigkeiten. Bei Osteoporose sind Tierversuche praktisch unmöglich. Man war auf Freiwillige angewiesen, die sich für die Versuche zur Verfügung stellten. Doch dann kam es zu einigen Todesfällen und man hat die Tests abgebrochen.«
»Also haben sie die Tests in Deutschland fortgeführt«, kombinierte ich. »Seltsam, dass sie nicht nach Afrika gegangen sind. Mit ein paar Millionen Dollar Schmiergeld hätten sie in einer Militärdiktatur nichts zu befürchten.«
Anja schnaubte entrüstet. »Vermutlich hätten sie das auch getan. Nur bekommen Schwarze keine Osteoporose. Die unterschiedliche genetische Disposition von Schwarzen und Weißen ist ja ein Ansatzpunkt der Therapie. Und generell ist die Lebenserwartung in der Dritten Welt zu niedrig, um Langzeittests durchführen zu können.«
»Und woraus besteht die Therapie?«, fragte Franka.
»Die Einzelheiten kenne ich natürlich nicht, sie sind ein streng gehütetes Geheimnis. Es geht darum, den Hypophysenvorderlappen im Gehirn so zu stimulieren, dass er eine ausreichende Produktion von Calcitonin veranlasst. Calcitonin hat einen hemmenden Einfluss auf den Knochenabbau. Etwa dreißig bis vierzig Prozent aller Frauen in den Industrieländern erkranken irgendwann nach der Menopause an Osteoporose, also der Verminderung der Knochenmasse, weil mit dem Rückgang der Östrogene, der weiblichen Hormone, auch weniger Calcitonin ausgeschüttet wird. Deshalb besteht die herkömmliche Therapie zur Verlangsamung und Vorbeugung von Osteoporose ja auch darin, Östrogen-Calcitonin-Präparate zu verabreichen, allerdings haben die erhebliche Nebenwirkungen.«
»Aha«, sagte ich, weil ich nur die Hälfte verstand.
»Sie können sich vorstellen, welch riesiger Markt sich da auftut. Mit einem Mittel, das die Osteoporose vermindert oder sogar zum Stillstand bringt, könnte man viele Milliarden verdienen, zumal wenn es verträglicher ist als die Östrogen-Behandlung.«
»Und worin besteht die Gefahr?«, fragte ich.
»Zunächst einmal muss man herausfinden, wie viele gesunde Zellen notwendig sind, um die Hypophyse dazu zu bringen, ausreichend Calcitonin zu produzieren. Das kann individuell verschieden sein und vom Grad der Osteoporose abhängen. Also braucht man genügend Testpersonen, denen man unterschiedliche Dosen verabreicht und deren Knochendichte man ständig misst. Ich glaube aber, dass die größere Gefahr vom Vektor ausgeht.«
»Vom was?«, erkundigte sich Franka.
»Vom Boten, der die funktionierenden Gene an die richtige Stelle bringt, damit sie die defekten ersetzen. Gewöhnlich benutzt man dazu Adenoviren, harmlose Erkältungsviren. Die Adenoviren werden quasi entkernt und mit den Genen gefüllt, die sie transportieren sollen. Allerdings ist die Methode noch nicht perfekt, es kommt immer wieder zu Verunreinigungen.«
Langsam kam ich wieder mit. »Und was ist die Folge?«
»Eine Grippe. Schlimmstenfalls verbunden mit hohem Fieber und weiteren Komplikationen, wie zum Beispiel einer Lungenentzündung.«
»Eine der Frauen aus Sankt Mauritz ist an einer Lungenentzündung gestorben. Eine Nachbarin hat mir erzählt, dass die Frau am Tag vor ihrem Tod über eine Erkältung geklagt habe.«
»Ja, das passt zu einem Adenoviren-Unfall«, überlegte Anja. »Wenn zu viele Viren aktiv sind, überschwemmen sie den Körper und legen das Immunsystem viel schneller lahm als bei einer normalen Infektion. Der Krankheitszustand kann sich von einer Stunde zur anderen rapide verschlechtern.«
Anja legte ihren Kopf auf das Kissen. Sie sah müde aus.
»Mausi, du solltest dich ausruhen«, sagte Holger besorgt.
»Ausruhen kann ich mich später«, gab Anja zur Antwort. »Vorläufig würde mir eine Tasse Kaffee genügen. Was hältst du davon, für uns alle eine große Kanne Kaffee zu kochen?«
»Eine gute Idee«, stimmte ich zu.
Holger taperte in die Küche.
Während er abgelenkt war, stellte ich die entscheidende Frage: »Gibt es eine Chance, an die Aufzeichnungen von BioMedic zu kommen? Ich meine Daten, die belegen, dass Doktor Thalheim den Frauen das Präparat gespritzt hat?«
»Theoretisch schon.«
»Und praktisch?«
Anja schüttelte den Kopf. »So gut wie unmöglich. Wie gesagt,
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