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Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Titel: Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten ?«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Daniel verblüfft.
    »Wahrscheinlich aus einem Kreuzworträtsel.«
    »Natürlich.« Er fummelte an seiner Brille herum. »Also? Was wollen Sie von mir?«
    »Tragen Sie manchmal Kontaktlinsen?«
    »Nein. Ich vertrage sie nicht. Außerdem habe ich ein Brillengesicht. Ohne Brille sehe ich scheiße aus.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Hören Sie, es ist fast vier Uhr. Nicht dass ich etwas Besseres vorhätte, aber ist das der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch über Kontaktlinsen?«
    »Waren Sie vor einer Stunde in Maries Haus?«
    »In Maries Haus?« Er stutzte. »In meinem Haus, meinen Sie wohl?«
    »Von mir aus. Waren Sie da?«
    »Nein. Sie haben mir den Schlüssel abgenommen, erinnern Sie sich?«
    »Jemand ist in das Haus eingedrungen und hat Marie niedergeschlagen.«
    Sein Gesicht bekam einen spöttischen Ausdruck. »Nein, so was!« Er griff unter den Tisch und zeigte mir die Flasche. »Sehen Sie! Das war mein Begleiter der letzten Stunden. Und wie hätte ich um diese Uhrzeit nach Gievenbeck kommen sollen? Ich besitze kein Auto.«
    Ein Taxi wäre sicherlich zu auffällig gewesen. Und dass er getrunken hatte, war eine Tatsache. Allerdings konnte er sich den Rausch auch nach seiner Rückkehr zugelegt haben, falls er in der Lage war, innerhalb von fünf Minuten eine Flasche Grappa zu leeren.
    »Sie sind dort schon einmal eingebrochen. Und Sie hassen Marie.«
    »Hass?« Er winkte ab. »Was für ein großes Wort! Vielleicht habe ich meinen Vater gehasst. Aber Marie? Nein. Eher bemitleide ich sie wegen ihrer Blödheit, sich mit meinem Vater eingelassen zu haben.«
    Das brachte mich auf eine Idee. »Was ist eigentlich mit Ihrer Mutter?«
    »Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel!«, sagte er aggressiv.
    »Warum?«
    »Weil meine Mutter Sie nichts angeht.«
    »Lebt sie noch?«
    »Ja, sie lebt noch. Besser gesagt: Sie vegetiert. In einem Pflegeheim. Ihr Verstand hat sich verabschiedet. Zu viel Alkohol und Pillen. Irgendwann hat jemand den Stecker rausgezogen und dann blieb nur noch eine große dunkle Leere übrig.« Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen, um die Tränen zurückzudrängen. »Dieses Arschloch hat sie kaputtgemacht.« Er griff nach der Flasche und setzte sie an den Mund.
    Als er den letzten Tropfen getrunken hatte, schüttelte er sich. »Entschuldigen Sie! Ich bin unhöflich. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, danke.«
    »Ich habe auch Bier im Haus.«
    »Ich möchte nichts trinken. Erzählen Sie mir von dem Verhältnis zu Ihrem Vater!«
    Daniel schnaubte. »Was soll das? Wollen Sie mich mit Psychologie aufs Kreuz legen? Lernt man das auf der Detektivschule?«
    »Sie sind nicht der einzige Sohn, der Probleme mit seinem Vater hat.«
    »Vermutlich nicht, nein.« Er leckte sich über die Lippen. »Wissen Sie, das Schlimme daran ist, dass ich ihn bewundert habe. Er war der Held meiner Kindheit und frühen Jugend. Ich wollte so sein wie er, erfolgreich, selbstbewusst, stark. Ich sah doch, dass alle vor ihm zitterten, sogar meine Mutter.«
    »Und dann?«
    »Dann erkannte ich, dass meine Mutter nicht aufhörte zu zittern, selbst wenn mein Vater nicht da war. Dass sie heimlich trank und Tabletten schluckte. An manchen Tagen lief sie wie ein Gespenst durchs Haus. Einmal brannte die Küche, weil sie vergessen hatte, den Herd auszuschalten. Ich hörte die Streitereien meiner Eltern, wie meine Mutter ihn anflehte, sie nicht vor allen Leuten lächerlich zu machen. Und ich hörte, mit welcher Erbarmungslosigkeit mein Vater darauf reagierte.«
    »Und da haben Sie angefangen, ihn zu hassen?«
    »Ja, da habe ich angefangen, ihn zu hassen.«
    »Und deshalb haben Sie ihn getötet?«
    Daniel lachte, zuerst leise, dann immer lauter werdend. »Das ist gut. Sie reden ja wirklich so wie die Detektive in den Romanen. Unser Gespräch fängt an, mich zu amüsieren, Herr Wilsberg.«
    »Polizisten reden auch nicht anders«, bemerkte ich kühl. »Das werden Sie bald merken.«
    »Soll ich Ihnen was sagen?« Daniel beugte sich vor. »Vielleicht hätte ich es getan, wenn ich nicht so ein verdammter Versager wäre. Ja, ich hätte ihn getötet, wenn ich den Mumm dazu gehabt hätte. Aber den hatte ich nicht. Und ich habe auch keine Ahnung, wie ich an ein Gewehr kommen sollte und wie man damit umgeht. Ich glaube nicht, dass ich etwas treffen würde. Wahrscheinlich würde ich mir eher in den Fuß schießen. Sie sollten nach jemandem

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