Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Viertelstunde später hielt Niemeyer mit laufendem Motor vor meinem Haus.
»Falls Ihnen etwas verdächtig vorkommt, zögern Sie nicht, mich anzurufen.« Sie reichte mir eine Visitenkarte. »Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.«
»Werde ich weiter observiert?«
»Zu Ihrem eigenen Schutz.«
»Ohne Leibwache würde ich mich sicherer fühlen.«
»Seien Sie nicht albern, Herr Wilsberg.« Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Ich weiß, was Sie vorhaben. Tun Sie es nicht. Gegen diese Leute haben Sie keine Chance.«
Ich schaute sie an. Der Gedanke, in ihr eine Verbündete zu sehen, war ziemlich verlockend.
Ein zaghaftes Lächeln spielte um ihren Mund. »Vertrauen Sie mir!«
»Später vielleicht.« Ich öffnete die Wagentür. »Bis dahin können Sie dafür sorgen, dass Regina Fuchs am Leben bleibt.«
»Sobald sie transportfähig ist, werden wir sie an einen sicheren Ort bringen.«
Ich stieg aus und ging zur Haustür. Das angetrocknete Blut auf dem Bürgersteig schillerte schwärzlich.
XIV
Meine Wohnung kam mir fremd und unwirtlich vor. Durch die zerschossene Fensterscheibe pfiff eisige Luft ins Wohnzimmer, auf dem Boden lagen überall Scherben und der erneute Besuch der Spurensicherer hatte den letzten Rest an Ordnung beseitigt. Der bloße Anblick dieses Chaos saugte die noch vorhandene Energie aus meinen Adern. Ich dachte daran, Franka anzurufen, um mich für eine Nacht auf ihrer Gästecouch zu verkriechen. Doch auch dazu fehlte mir die Kraft. Ich war todmüde und wollte nur noch schlafen.
Bevor ich ins Bett fiel, schaffte ich es immerhin, das sternförmige Loch in der Scheibe mit einem Stück Pappe zu überkleben und die Wohnungstür so fest zu verriegeln, wie es die demolierten Türschlösser hergaben. Viel nutzen würde das nicht, falls jemand die ernsthafte Absicht hatte, mich umzubringen. Seit der ersten Durchsuchung hing die Tür schief im Rahmen und jeder Zehnjährige hätte sie mit ein bisschen Körpereinsatz aufdrücken können.
In der Nacht schreckte ich ein paarmal hoch und schon um halb sieben am nächsten Morgen war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich wälzte mich eine Weile im Bett herum und schaltete dann das Radio ein. In den Nachrichten war von einem heranziehenden Tief und kräftigem Schneefall die Rede. In Münster bedeutet das für gewöhnlich, dass sich eine schmutzig graue, wässrige Pampe auf die Straßen legt.
Ich quälte mich aus dem Bett und schleppte mich unter die Dusche. Nachdem fünf Minuten lang fast kochendes Wasser über meinen Körper gelaufen war, konnte man mich zumindest zum Kreis der Lebenden zählen. Zwei Kannen Espresso und eine Kopfschmerztablette bewirkten anschließend, dass es sogar mit dem Denken wieder einigermaßen klappte.
Zuerst rief ich einen Glaser an. Er versprach, am Vormittag vorbeizukommen und sich den Schaden anzusehen. Dann machte ich mich daran, mein Versprechen einzulösen und Felizia Sanddorn zu finden. Die Internetseiten des Innenministeriums brachten in Bezug auf Herbert Wienbusch keine Erkenntnisse. Was nicht verwunderlich war, ein Geheimdienst äußert sich nun mal nicht gern über seine Mitarbeiter. Wenigstens fand ich eine Telefonnummer. Ich benutzte mein neues Handy, nannte mich Bernd Schallück und bat, mit Wienbusch verbunden zu werden. Das klappte natürlich nicht. Ich wurde zwar dreimal weiterverbunden, allerdings nur, um bei jeder Station mit den gleichen Fragen zu meiner Person und meinem Anliegen traktiert zu werden. Nach meiner Geschichte, die ich wegen der Glaubwürdigkeit jeweils ein wenig variierte, hatte ich Wienbusch in den Achtzigerjahren kennengelernt und für ihn als V-Mann in der linksextremen Szene gearbeitet. Allerdings sei ich nur ein kleines Licht und ziemlich erfolglos gewesen, deshalb sei es durchaus denkbar, dass außer Wienbusch niemand von meiner Existenz wisse. Ungeachtet meiner Erfolglosigkeit habe sich jedoch zwischen Wienbusch und mir ein herzliches persönliches Verhältnis entwickelt. An dieser Stelle bekam meine Geschichte eine melodramatische Wendung. Ich sei todkrank, behauptete ich, und mit dem baldigen Ende vor Augen wolle ich mich von allen verabschieden, die mir im Leben etwas bedeutet hätten. Und dazu gehöre auch Wienbusch.
Bei der dritten Station, einer Frau, verlieh ich meiner Stimme etwas mehr Depressivität: »Ist das denn so schwer zu verstehen, dass ich noch einmal mit ihm reden will? Bestimmt ist er längst pensioniert …«
»Es tut mir leid, Herr …«
»Sagen Sie mir wenigstens, ob er
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