Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
noch in Düsseldorf wohnt.«
»Auch dazu kann ich leider …«
Ich probierte es mit einem Bluff: »Oder ist er wieder in seine Heimat gezogen? Ins Münsterland?«
Ihr Zögern war ganz kurz, fast unmerklich. »Herr Schallück?«
»Ja?«
»Bitte bleiben Sie noch einen Moment in der Leitung.«
Vermutlich suchten sie im Hintergrund fieberhaft nach Datensätzen über Bernd Schallück oder Angaben zu meiner Handynummer.
»Hat ja doch keinen Zweck«, sagte ich und legte auf.
So blieb die kurze Verblüffung, die ich mit der Erwähnung des Münsterlandes bewirkt hatte, die einzige Ausbeute des Telefonats. Trotzdem klammerte ich mich in den nächsten Stunden an diesen Strohhalm. Ausgehend von Gronau, dem letzten bekannten Aufenthaltsort von Felizia Sanddorn, durchkämmte ich das elektronische Telefonbuch nach Herbert Wienbuschs. In den Landkreisen Borken, Steinfurt und Coesfeld gab es etliche von ihnen, mal mit, mal ohne Berufsangaben. Aber auch das half mir beim Ausschlussverfahren wenig, der ehemalige Geheimdienstler konnte sich zu Tarnung in einen pensionierten Ingenieur oder Bäckermeister verwandelt haben.
In der Zwischenzeit war der Glaser aufgetaucht und hatte die Pappe durch eine transparente Folie ersetzt, die weniger scheußlich aussah und bis zum Einsetzen einer neuen Glasscheibe in den nächsten Tagen halten sollte.
Als ich nicht mehr wusste, wie ich weitermachen sollte, rief ich Franka an und verabredete mich mit ihr zum Mittagessen.
Wir trafen uns in einer kleinen Trattoria in der Frauenstraße, in der Nähe ihrer Kanzlei. Bei Lachsravioli für mich und einem kleinen Salat für Franka brachte ich sie auf den neuesten Stand. Ihre Miene wurde von Minute zu Minute skeptischer.
»Du solltest die Warnungen ernst nehmen«, sagte sie schließlich. »Du kannst von Glück reden, dass du noch lebst.«
»Klar nehme ich die Warnungen ernst«, gab ich zurück. »Sobald ich Felizia Sanddorn gefunden habe, halte ich mich aus allem raus.«
Franka schüttelte den Kopf. »Blöder Sturkopf.«
»Ein paar Prinzipien muss man doch haben«, hielt ich dagegen. »Ich habe noch nie einen Auftrag hingeschmissen, solange mich der Auftraggeber nicht gelinkt hat.«
»Dein Auftraggeber war ein Terrorist und Agent, der dich aus der Beute eines Raubüberfalls bezahlt hat.«
»Außerdem war er ein Vater. Das ist das Einzige, was für mich zählt. Nicht zu vergessen, dass mich auch die Mutter gebeten hat, Felizia zu suchen. Ebenfalls eine Terroristin«, nahm ich ihren nächsten Einwand vorweg, »aber wenigstens keine Agentin. Glaube ich jedenfalls.«
Ich winkte der Kellnerin und bestellte einen Espresso.
»Du willst es nicht anders«, sagte Franka resigniert. »Okay, ich kenne da jemanden. Einen Bekannten von einem Bekannten, der auf einer Schlüsselposition im Innenministerium sitzt. Ich werde ihn mal anrufen.«
Zwei Stunden später hatte Franka in Erfahrung gebracht, dass Herbert Wienbusch nach seiner Versetzung in den Ruhestand tatsächlich ins Münsterland gezogen war, sie kannte sogar den genauen Ort, einen Stadtteil von Ochtrup namens Everskirchen. Ich schaute auf meine Liste, Wienbuschs Anschluss in Everskirchen war noch aktuell.
Franka wusste noch mehr zu berichten: »Wienbusch hat in Everskirchen gebaut, zusammen mit anderen Exbeamten, die er aus seinem aktiven Dienst kennt. Anscheinend haben die da eine eigene kleine Siedlung hochgezogen. Mein Bekannter hat sich darüber lustig gemacht und gemeint, die würden sich wahrscheinlich morgens zur Krisensitzung und abends zur Kleinen Lage treffen.«
Ich bedankte mich bei Franka und loggte mich erneut in das elektronische Telefonbuch ein. Doch diesmal ging ich umgekehrt vor. Ich notierte die Namen aller Anwohner, die in unmittelbarer Nähe von Herbert Wienbuschs Adresse registriert waren, und suchte anschließend bei Google nach Einträgen. Die Trefferquote war beachtlich. Die ehemalige Hautevolee des westdeutschen Staatsschutzes hatte Everskirchen zu ihrem Ruhesitz erwählt. Ein abgedankter Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz gehörte ebenso zu Wienbuschs Nachbarn wie der mehrfach mit Orden dekorierte und inzwischen pensionierte Abteilungsleiter Terrorismusbekämpfung vom Landeskriminalamt. Die Krönung war allerdings ein vor mehreren Jahren aus dem Dienst geschiedener Innenstaatssekretär.
Ich schaute nach draußen. Mit Beginn der Dämmerung hatte es zu schneien begonnen, große, wässrige Flocken segelten an meinem Fenster vorbei. Eine günstige
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