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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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ersten Zaunüberquerung vergangen war. Die umgeknickten Bäume hatte man noch nicht entfernt, alles andere war mir im Moment egal.
    Mit jedem Meter, den ich mich vom Lagerhaus entfernte, fielen mir die Schritte schwerer. Ich merkte, wie die Erschöpfung zurückkehrte. Den Kampf mit den Wachmännern hatte ich im Adrenalinrausch durchgestanden, jetzt musste ich auf die Zähne beißen, um vorwärtszukommen. Stimmen und Hundegebell aus der Siedlung trieben mich voran, das Geräusch startender Motoren gab mir einen zusätzlichen Kick. Endlich erreichte ich den ersten Baum. Ich hangelte mich hinauf und krabbelte in die Freiheit.
    Den direkten Weg nach Everskirchen zu nehmen, wäre unvernünftig gewesen, mit Sicherheit überwachten sie die Straße. Ich musste einen Umweg durch den Wald machen, zur anderen Seite von Everskirchen. Meinen Wagen konnte ich sowieso vergessen. Am besten, ich schlug mich nach Ochtrup durch und nahm am Morgen den Zug nach Münster. Nein, das war auch zu gefährlich …
    Das Hundegebell hinter mir wurde lauter. Verdammt! Anstatt Pläne zu schmieden, sollte ich mich lieber bemühen, die nächste Viertelstunde zu überleben, meine Spuren waren schließlich nicht zu übersehen.
    Ich beschleunigte meine Schritte wieder, Zweige schlugen mir ins Gesicht. Plötzlich stolperte ich einen kleinen Abhang hinunter und landete mitten in einem schmalen Bach. Zuerst verfluchte ich mein Pech, dann erkannte ich die Chance, die sich mir bot: Im Bachlauf konnte man meine Schuhabdrücke nicht erkennen.
    Um die Hunde abzulenken, zog ich eine Socke aus und stopfte sie an der Uferböschung unter einige Zweige. Das würde sie hoffentlich eine Weile aufhalten. Dann folgte ich dem Bachlauf einige hundert Meter und verließ ihn erst wieder, als ich am Ufer einen Haufen flacher Steine entdeckte. So vorsichtig und spurlos wie möglich hangelte ich mich die Uferböschung hinauf.
    Zuletzt hatte ich die Hunde nicht mehr gehört. Anscheinend war es mir tatsächlich gelungen, sie abzuhängen. Dummerweise hatte ich dabei völlig die Orientierung verloren. Ich klappte das Handy auf. Kein Empfang. Am besten, ich wartete bis zum Sonnenaufgang, bevor ich weiterging. Ich war sowieso total fertig.
    Mit dem Rücken gegen den Stamm eines breiten Baumes gelehnt, ließ ich mich zu Boden gleiten. Ich schloss die Augen und roch den würzigen Duft der Rinde. Nur ein paar Minuten ausruhen …

XVI
    Ich träumte von grünen und rot-weißen Männern, die mich durch einen Wald trugen, einer Fahrt in einem schaukelnden Kasten und einer Frau im weißen Kittel, die mir mit besorgter Miene eine Spritze gab. Die Niemeyer kam auch in meinem Traum vor, allerdings nur sehr undeutlich.
    Als ich aufwachte, lag ich in einem Bett. Neben meinem stand ein anderes Bett, an dessen Pfosten ein Katheterbeutel hing, in dem sich eine sehr ungesund aussehende, milchige Flüssigkeit sammelte. Der Beutel gehörte zu einem alten Mann, der mich böse anguckte. »Lassen Sie sich gefälligst in ein anderes Zimmer verlegen! Sie schnarchen fürchterlich.«
    »Danke für den Tipp«, sagte ich matt. »Wo bin ich hier?«
    »Augustus-Krankenhaus.« Er drehte sich um und schaute zu dem Fernseher an der Zimmerdecke, auf dem sich eine lautlose Romanze zwischen einem Arzt und einer Krankenschwester abspielte.
    »Liveübertragung aus dem OP?«, fragte ich.
    Er reagierte nicht. Das mochte an den Kopfhörerstöpseln liegen, die er sich nach unserem kurzen Gespräch in die Ohren gestopft hatte, oder daran, dass er humorlos war.
    Ich richtete mich auf und kontrollierte, ob noch alle Glieder an ihrem Platz waren und ihren Dienst versahen. Abgesehen von den Zehen des rechten Fußes, die sich taub anfühlten, funktionierte alles prächtig. Seufzend ließ ich mich auf das Kopfkissen zurückfallen und drückte auf den roten Knopf neben dem Tropf, der an meinem Arm hing.
    Wenig später erschien eine südasiatisch aussehende Krankenschwester, die wesentlich mehr Freundlichkeit ausstrahlte als mein Bettnachbar. »Wieder unter den Lebenden, Herr Dibus? Wie fühlen Sie sich?«
    Dibus? Trotz ihres Akzents konnte sie Wilsberg nicht so merkwürdig aussprechen.
    »Prima«, sagte ich. »Wer hat Ihnen meinen Namen verraten?«
    »Eine Frau hat sich um alles gekümmert.« Sie öffnete die oberste Schublade des fahrbaren Schränkchens, das neben meinem Bett stand. »Sie sollen sie anrufen.« Sie reichte mir eine Visitenkarte. Niemeyer. »Vom Münztelefon unten. Geld liegt auch im Schrank.«
    »Danke. Was habe

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