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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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ich eigentlich, medizinisch gesehen?«
    Sie kicherte, als hätte ich etwas Anzügliches geäußert. »Darüber müssen Sie mit der Stationsärztin reden.«
    »Kommen Sie! Sie sind doch eine erfahrene Krankenschwester.«
    Das zog. »Eingeliefert worden sind Sie mit einer starken Unterkühlung«, sagte sie fröhlich. »Hätten Sie eine Stunde länger auf der Straße gelegen …«
    Auf der Straße?
    »Bei so einem Wetter sollte man in einem Obdachlosenasyl übernachten und nicht unter freiem Himmel.«
    »Beim nächsten Mal werde ich daran denken«, versprach ich. »Was ist mit den Zehen an meinem rechten Fuß?«
    »Leichte Erfrierungen«, erklärte sie so charmant, als würde sie über den Inhalt eines Bollywood-Films reden. »Kann sein, dass man ein oder zwei Zehen amputieren muss. Vielleicht geht es aber auch so.«
    »Persönlich wäre es mir lieber, sie blieben dran.«
    Sie nickte mir aufmunternd zu und wollte schon gehen, als mir noch etwas einfiel: »Kann ich ein Frühstück bekommen? Ich habe Hunger.«
    »Frühstück?« Erneutes Kichern. »Wir haben vorhin das Abendessen serviert. Aber ich werde sehen, ob ich etwas zu essen für Sie auftreiben kann.«
    Bis zu ihrer Rückkehr inspizierte ich meine Zehen genauer. Sie sahen bläulich aus, wie die einer nicht mehr ganz frischen Leiche. Als ich sie intensiv knetete, spürte ich einen leichten Schmerz. Ich nahm das als positives Zeichen.
    »Ausgerechnet mit einem Penner muss ich auf einem Zimmer liegen«, knurrte mein Bettnachbar.
    Das Abendessen bestand aus einer Kanne Hagebuttentee, drei dünnen Scheiben Brot, noch dünneren Scheiben Wurst und Käse, einem Päckchen Margarine und einem Apfel. Ich aß und trank alles auf, sogar den Apfel, obwohl ich Vitamine normalerweise nur in Tablettenform zu mir nehme.
    »Darf ich aufstehen?«, fragte ich, als die Krankenschwester das Tablett abräumte.
    »Sicher.« Sie stöpselte mich von dem Tropf ab. »Aber seien Sie vorsichtig. Ihr Kreislauf ist noch nicht stabil. Halten Sie sich gut fest.«
    Erst als ich die Visitenkarte und das Geld einstecken wollte, fiel mir auf, dass ich nur ein langes weißes Nachthemd trug. Ich schlüpfte in die Badelatschen, die ein guter Geist neben meinem Bett abgestellt hatte, stemmte mich hoch und plumpste aufs Bett zurück. Beim dritten Versuch schaffte ich es, mich am Bettgestell festzuhalten, und eine Ewigkeit später humpelte ich im Schneckentempo zur Tür.
    »Mannomann«, sagte mein Zimmerkollege.
    Nach einem Abstecher zur Toilette musste ich eine Pause einlegen. Ich steuerte die graue Sitzgruppe am Ende des Flurs an und ließ mich schnaufend auf einen Sessel fallen. Der Sessel quietschte erschrocken, wahrscheinlich hatte er seit Jahren nicht mehr erlebt, dass ihn jemand benutzte.
    »Ziehen Sie einen Bademantel an!«, riet mir eine vorbeigehende Krankenschwester. »Sonst werden Sie noch krank.«
    »Haben Sie zufällig einen übrig?«, rief ich ihr nach. Statt einer Antwort knallte sie eine Zimmertür zu.
    Anscheinend war ich weggedämmert, denn im nächsten Moment stand die Krankenschwester vor mir. »Schlafen Sie gefälligst in Ihrem Bett!«
    Ein grün-weiß gestreifter Bademantel flog auf meine Beine. Bevor ich mich bedanken konnte, war sie schon wieder verschwunden. Ich zog den Bademantel an, schleppte mich zum Aufzug und fuhr nach unten.
    Am Münztelefon in der Eingangshalle wählte ich Niemeyers Nummer. Sie meldete sich sofort.
    »Dibus«, sagte ich. »The private eye formerly known as …«
    »Das war zu Ihrem eigenen Schutz«, antwortete sie leise.
    »Das verstehe ich ja. Aber warum haben Sie behauptet, ich sei ein Penner? Jetzt werde ich von allen gemobbt.«
    »Eine plausible Erklärung für Ihre Unterkühlung.«
    »Da hätte Ihnen auch was Besseres einfallen können.«
    Niemeyer ging nicht darauf ein. »Ich kann in einer Stunde kommen. Nehmen Sie zu niemandem Kontakt auf. Und spielen Sie weiter den Penner. Das dürfte Ihnen doch nicht schwerfallen.«
    Ich fragte nicht, was sie damit meinte.

    Nach einer Stunde saß ich wieder auf dem Sessel. Die Zwischenzeit hatte ich hauptsächlich für Wanderungen durch das Krankenhaus genutzt, auf der Suche nach meiner alten Form und Beweglichkeit. Jetzt tat mir das rechte Bein weh. Ich legte es, wie es sich für einen Penner gehörte, auf den Tisch vor mir. Fehlte nur noch die Flasche Bier in der Hand. Aber die Cafeteria war leider schon geschlossen.
    Niemeyer sah müde und abgespannt aus. Sie nickte mir zu. »Wie geht es Ihnen?«
    »So lala. Man

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