Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
spielten und keine großen Risiken eingingen – und beträchtliche Summen von Wimsey, der leichtsinnig und ein wenig angetrunken wirkte und lachhaft hohe Beträge auf die unmöglichsten Karten setzte.
«Ich habe noch nie so einen Glückspilz gesehen wie Sie, Melville», sagte Sir Impey, als der junge Mann gerade wieder den Gewinn von einem hübschen Straigthflush einstrich.
«Heute ich, morgen Sie», meinte Melville, indem er die Karten Biggs zuschob, der mit Geben an der Reihe war.
Oberst Marchbanks verlangte eine neue Karte. Wimsey lachte dümmlich und ließ sich gleich fünf neue geben; Biggs verlangte drei, und Melville nahm, nachdem er eine Weile überlegt hatte, eine.
Diesmal sah es so aus, als ob jeder etwas Brauchbares in der Hand hätte, obwohl man sich bei Wimsey nicht darauf verlassen konnte, denn er ging schon mit einem Zweierpasch bis an die Höchstgrenze, um, wie er sagte, «den Pott am Kochen zu halten». Er wurde jetzt regelrecht störrisch und warf, trotz Melvilles zur Schau getragener Zuversicht, mit hochrotem Kopf seine Chips in den Pott.
Der Oberst stieg aus, und kurz darauf folgte Biggs seinem Beispiel. Melville ging mit, bis der Pott nahezu hundert Pfund enthielt, dann wurde Wimsey plötzlich unruhig und verlangte die Karten zu sehen.
«Vier Könige», sagte Melville.
«Hol Sie der Kuckuck», sagte Wimsey, indem er vier Damen hinlegte. «Der Kerl ist heute abend nicht zu bremsen, wie? Hier, Melville, nehmen Sie die verflixten Karten und geben Sie andern Leuten auch mal eine Chance, ja?»
Mit diesen Worten mischte er die Karten und gab sie weiter. Melville teilte aus, bediente seine drei Mitspieler und wollte sich gerade selbst drei neue Karten geben, als Wimsey mit einem plötzlichen Ausruf seine Hand über den Tisch schießen ließ.
«Hallo, Melville!» sagte er mit eisiger Stimme, die mit seiner sonstigen Sprechweise nichts mehr gemein hatte. «Was soll das bitte heißen?»
Er hob Melvilles linken Arm über dem Tisch hoch und schüttelte ihn einmal kräftig. Aus dem Ärmel flatterte etwas auf den Tisch und glitt von dort weiter auf den Fußboden. Oberst Marchbanks hob es auf und legte mit unheilkündendem Schweigen einen Joker auf den Tisch.
«Großer Gott!» sagte Sir Impey.
«Sie grüner Schurke!» stieß der Oberst hervor, als er seiner Stimme wieder mächtig war.
«Zum Teufel, was soll das heißen?» keuchte Melville mit kreidebleichem Gesicht. «Was fällt Ihnen ein! Das ist eine Finte – eine Falle –» Eine furchtbare Wut packte ihn. «Sie unterstehen sich zu behaupten, daß ich ein Betrüger sei? Sie Lügner! Sie gemeiner Falschspieler! Sie haben mir die Karte dahin gesteckt. Ich sage Ihnen, meine Herren», rief er, indem er sich verzweifelt in der Runde umsah, «er muß sie mir dahin gesteckt haben.»
«Na, na», sagte Oberst Marchbanks, «es hat keinen Sinn, sich hier so aufzuführen, Melville. Überhaupt keinen Sinn. Macht alles nur noch schlimmer. Wir haben es nämlich alle gesehen. Mein Gott, ich weiß nicht, was aus der Armee geworden ist.»
«Heißt das, Sie glauben ihm?» schrie Melville mit schriller Stimme. «Um Himmels willen, Wimsey, soll das ein Witz sein oder was? Biggs – Sie haben doch einen Kopf auf den Schultern – glauben Sie etwa diesem halbbetrunkenen Irren und diesem Tattergreis, der längst ins Grab gehört?»
«Diese Ausdrucksweise bringt Ihnen nichts ein, Melville», sagte Sir Impey. «Ich fürchte, wir haben es alle deutlich genug gesehen.»
«Ich hatte nämlich schon die ganze Zeit so einen Verdacht», sagte Wimsey. «Darum habe ich Sie beide gebeten, heute abend noch hierzubleiben. Wir wollen kein großes öffentliches Aufsehen machen, aber –»
«Meine Herren», sagte Melville jetzt sachlicher, «ich schwöre Ihnen, daß ich an dieser gräßlichen Geschichte vollkommen unschuldig bin. Können Sie mir das nicht glauben?»
«Ich kann immer noch glauben, was ich mit eigenen Augen sehe, Sir», entgegnete der Oberst aufgebracht.
«Im Interesse des Clubs», sagte Wimsey, «konnte das so nicht weitergehen, aber ebenfalls im Interesse des Clubs finde ich, wir sollten die Sache lieber in aller Stille aus der Welt schaffen. Angesichts dessen, was Sir Impey und der Oberst bezeugen können, Melville, glaube ich nicht, daß Ihnen irgendjemand Ihre Gegendarstellung abnehmen wird.»
Melville sah von dem alten Offizier zu dem großen Strafjuristen.
«Ich weiß nicht, was für ein Spiel Sie treiben», sagte er mürrisch zu Wimsey, «aber ich
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