Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
wollen, weil dann beides zusammen gefunden würde.» «War das denn mehr als nur ein Porträt? Ein Porträt an sich läßt sich ja noch halbwegs plausibel erklären. Sagen wir, es wurde Ihnen zur Aufbewahrung anvertraut?»
«Die Namen standen darauf und – und eine Inschrift, die mit nichts, mit gar nichts wegzuerklären ist. Ein – Zitat aus Petronius.»
«Ach du lieber Gott!» entfuhr es Lord Peter. «O ja, das ist ein ziemlich munterer Autor.»
«Ich habe sehr jung geheiratet», erklärte Mrs. Ruyslaender, «und mein Mann und ich kamen nie besonders gut miteinander aus. Und in einem Jahr, als er gerade wieder in Afrika war, ist das dann alles passiert. Wir waren wunderbar glücklich – und ungeniert. Dann ging es zu Ende. Ich war verbittert. Ich wünschte, ich wäre es nicht gewesen. Aber sehen Sie, er hatte mich verlassen, und ich konnte es ihm nicht verzeihen. Tag und Nacht habe ich um Rache gebetet. Aber jetzt – ich will nicht, daß sie durch mich geschieht.»
«Einen Augenblick», sagte Wimsey. «Sie meinen also, wenn die Diamanten gefunden werden und das Porträt auch, dann kommt diese Geschichte unweigerlich ans Licht?»
«Mein Mann würde sich scheiden lassen. Er würde mir nie verzeihen – und ihm auch nicht. Das heißt nicht, daß es mir etwas ausmachen würde, selbst den Preis zu zahlen, aber –» Sie krampfte die Hände zusammen.
«Wieder und wieder habe ich ihn verflucht, ihn und diese raffinierte Frau, die ihn sich gekapert hat. Sie hat ihre Karten ja so gut ausgespielt! Diese Geschichte würde nun beide ruinieren.» «Aber wenn Sie das Instrument der Rache wären», sagte Wimsey freundlich, «würden Sie sich dafür verachten. Und es wäre Ihnen schrecklich, weil er Sie dafür verachten würde. Eine Frau wie Sie könnte sich nicht so tief erniedrigen, um ihre Rache zu bekommen. Das verstehe ich. Wenn Gott einen Blitz niederfahren ließe – wie furchtbar und befriedigend zugleich!
Wenn es mit Ihrem Zutun einen großen Krach gäbe – wie widerlich wäre das.»
«Sie scheinen ja zu verstehen», sagte Mrs. Ruyslaender.
«Wie ungewöhnlich.»
«Oh, ich verstehe vollkommen. Trotzdem will ich Ihnen sagen», fuhr Wimsey mit einem verlegenen kleinen Zucken um die Mundwinkel fort, «daß es für eine Frau einfach töricht ist, in solchen Dingen ein Ehrgefühl zu haben. Es bereitet ihr nur unerträglichen Schmerz, und ohnehin erwartet es niemand von ihr. Aber nun wollen wir uns da nicht hineinsteigern. Sie wollen sich Ihre Rache jedenfalls nicht von einer Ampelopsis aufzwingen lassen. Warum auch? Widerlicher Kerl. Wir pakken ihn mit Wurzeln, Zweigen und Trieben. Machen Sie sich keine Sorgen. Mal überlegen. Ich habe hier nur einen Tag zu tun. Dann muß ich Melville kennenlernen – sagen wir eine Woche. Dann muß ich an die Sächelchen herankommen – sagen wir noch einmal eine Woche, vorausgesetzt, er hat sie noch nicht verkauft, was aber nicht sehr wahrscheinlich ist. Können Sie Ihren Gatten noch etwa zwei Wochen hinhalten, was mei nen Sie?»
«O ja. Ich werde sagen, sie seien im Landhaus oder würden gerade gereinigt oder irgendwas. Aber glauben Sie wirklich, Sie könnten –?»
«Ich werde mir jedenfalls Mühe geben, Mrs. Ruyslaender.
Sitzt der Bursche so in der Klemme, daß er Diamanten stehlen muß?»
«Ich glaube, er hat kürzlich Schulden beim Pferderennen gemacht. Und vielleicht beim Poker.»
«Oho! Ist er Pokerspieler? Das gibt mir einen ausgezeichneten Vorwand, ihn kennenzulernen. Also, Kopf hoch – wir kriegen die Sachen, und wenn wir sie kaufen müssen. Das werden wir aber nicht tun, wenn sich’s vermeiden läßt. Bunter!» «Mylord?» Der Diener erschien aus dem hinteren Zimmer. «Sehen Sie mal nach, ob die Luft rein ist, und geben Sie Signal, ja?»
Mr. Bunter begab sich auftragsgemäß auf den Flur hinaus, und nachdem er einen alten Herrn wohlbehalten im Bad verschwinden und eine junge Dame im rosa Kimono, die den Kopf aus einer der benachbarten Türen gesteckt hatte, diesen bei seinem Anblick schleunigst wieder hatte zurückziehen sehen, putzte er sich mit einem schmetternden Trompetenton die Nase.
«Gute Nacht», sagte Mrs. Ruyslaender, «und vielen Dank.» Damit schlüpfte sie ungesehen wieder in ihr Zimmer zurück.
«Was hat Sie nur bewogen, mein Bester», fragte Oberst Marchbanks, «sich mit diesem ausgesprochen widerlichen Melville abzugeben?»
«Karo», sagte Lord Peter. «Finden Sie ihn wirklich so schlimm?»
«Ein furchtbarer Kerl», sagte der Ehrenwerte
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