Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
möchte doch so gern meine Experimente noch zu Ende führen, bevor ich sterbe, und eine ausreichende Summe zur Gründung einer Klinik hinterlassen, in der die Arbeit fortgeführt werden kann.
Im letzten Jahr habe ich viel Mühe aufgewendet, um das Rätsel um den Schatz des ‹Halsabschneiders› zu lösen. Einen Großteil meiner Experimentierarbeit konnte ich dabei den tüchtigen Händen meines Assistenten, Dr. Forbes, überlassen, während ich selbst auf Grund der dünnen Hinweise, über die ich verfügte, meine Nachforschungen betrieb. Diese gestalteten sich um so kostspieliger und schwieriger, als der alte Cuthbert in seinem Testament keine Andeutung darüber hinterlassen hatte, ob Münster in Deutschland oder Munster in Irland der Ort ist, an dem der Schatz versteckt liegt. Meine Reisen und Nachforschungen an beiden Orten haben Geld gekostet und mich in meinem Anliegen nicht weitergebracht. Als ich im August entmutigt zurückkehrte, sah ich mich genötigt, meine Bibliothek zu verkaufen, um meine Kosten abzudecken und ein wenig Geld in die Hände zu bekommen, mit dem ich meine betrüblich vernachlässigten Experimente fortführen konnte.»
«Aha», sagte Lord Peter. «Allmählich sehe ich Licht.» Der alte Arzt sah ihn fragend an. Sie waren mit dem Tee fertig und saßen um den großen Kamin im Arbeitszimmer herum. Lord Peters interessierte Fragen nach dem schönen, aber heruntergekommenen alten Haus und Anwesen hatten die Unterhaltung ganz natürlich auf Dr. Conyers’ Familie gebracht und das Problem der Cosmographia, die neben ihnen auf einem Tisch lag, fürs erste vergessen lassen.
«Alles, was Sie sagen, paßt gut in das Puzzle», fuhr Wimsey fort, «und ich glaube, es gibt nicht mehr den mindesten Zweifel, hinter was Mr. Wilberforce Pope her war, obschon ich nicht sagen kann, woher er wußte, daß Sie die Cosmographia hier hatten.»
«Als ich die Bibliothek veräußerte, habe ich ihm einen Katalog zugeschickt», sagte Dr. Conyers. «Ich fand, als Verwandter sollte er das Vorkaufsrecht für alles haben, was ihn interessierte. Ich weiß gar nicht, warum er sich des Buchs nicht gleich versichert hat, statt so ein schockierendes Betragen an den Tag zu legen.»
Lord Peter bog sich vor Lachen.
«Ganz einfach, weil er erst hinterher darauf gestoßen ist», sagte er. «Mein Gott, und wie wütend er gewesen sein muß! Ich verzeihe ihm alles. Obschon», fügte er hinzu, «ich Ihnen keine allzu großen Hoffnungen machen möchte, Sir, denn selbst wenn wir Cuthberts Rätsel gelöst haben, weiß ich nicht, ob wir dem Schatz damit schon viel näher sind.»
«Dem Schatz ?»
«Aber ja, Sir. Nun, als erstes möchte ich Sie auf diese Seite hier aufmerksam machen, auf der ein Name an den Rand gekritzelt ist. Unsere Ahnen hatten die etwas unmanierliche Angewohnheit, ihre Besitztümer irgendwo in einer Randbemerkung zu kennzeichnen und nicht, wie es sich für ordentliche Christenmenschen gehört, auf dem Vorsatzblatt. Das ist eine Handschrift etwa aus der Zeit Karls I: ‹Jac: Coniers.› Ich denke, daraus geht eindeutig genug hervor, daß dieses Buch sich schon in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts im Besitz Ihrer Familie befand und seitdem immer befunden hat. Gut. Nun wenden wir uns Seite 1099 zu, wo wir die Entdeckungen Christoph Columbus’ geschildert finden. Sie beginnt, wie Sie sehen, mit einer Art Karte, auf der einige von Mr. Popes Ungeheuern herumschwimmen und offenbar die Kanarischen Inseln oder, wie sie damals auch hießen, die Glücklichen Inseln dargestellt sind. Die Karte ist so genau oder ungenau, wie Karten um diese Zeit nun einmal waren, aber ich nehme an, die große Insel rechts soll Lanzarote sein und die beiden nächsten dabei Teneriffa und Gran Canaria.»
«Aber was soll die Inschrift in der Mitte?»
«Das ist es ja gerade. Die Schrift ist jünger als Jac Coniers’ Signatur. Ich würde sie um 1700 herum datieren – aber sie kann natürlich auch aus einer noch viel späteren Zeit stammen. Ich meine, ein Mann, der um 1730 schon ein alter Mann war, hat wahrscheinlich auch dann noch in der Art geschrieben, die er sich als junger Mann einmal zugelegt hatte, besonders wenn er, wie Ihr seeräuberischer Vorfahr, den ersten Teil seines Lebens mehr oder weniger im Freien verbracht und nicht viel geschrieben hat.»
«Sag mal, Onkel Peter», mischte der Vicomte sich aufgeregt ein, «soll das heißen, daß der Halsabschneider Conyers das da geschrieben hat?»
«Ich würde ganz schön etwas
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