Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Nein, nein, schon gut; ich schaff’s allein. Reich mir mal den Bootshaken herüber. Jetzt will ich nur noch hoffen, daß der alte Sünder wirklich einen Schatz besaß. Wäre ja langweilig, wenn das nur wieder einer seiner dummen Scherze wäre. Egal – halt das Boot ruhig! So. Merke dir, Gherkins, daß man aus einem Bootshaken und zwei kräftigen Hosenträgern jederzeit einen brauchbaren Hebekran machen kann. Verstanden? Recht so. Jetzt ab in Richtung Heimat … Hallo! Was ist denn das?»
Während er das Boot wendete, tat sich deutlich beim Bootshaus etwas. Lichter bewegten sich hin und her, und Stimmen drangen über den See.
«Man hält uns für Diebe, Gherkins. Immer wird man mißverstanden. Bahn frei, meine Lieben!
Rudern, ja rudern, das war mein Verderben; Drum ruder ich mit dir, schäm Mägdlein, nicht mehr. »
«Sind Sie das, Mylord?» fragte eine Männerstimme, als sie ins Bootshaus glitten.
«Ach, das sind ja unsere getreuen Wachhunde!» rief Seine Lordschaft. «Was soll die Aufregung?»
«Wir haben diesen Mann erwischt, wie er um das Bootshaus herumschlich», sagte der Kriminalbeamte. «Er behauptet, der Neffe des alten Herrn zu sein. Kennen Sie ihn, Mylord?»
«Das denke ich schon», sagte Wimsey. «Mr. Pope, wenn ich mich nicht irre. Guten Abend. Suchten Sie vielleicht etwas? Doch nicht zufällig einen Schatz? Wir haben nämlich eben einen gefunden. Oh – sagen Sie das nicht! Maxima reverentia, nicht wahr? Lord Saint George ist noch so zart an Jahren. Und vielen Dank übrigens, daß Sie mir neulich abends Ihre reizenden Freunde zu Besuch geschickt haben. Gewiß, Thompson, ich werde ihn zur Anzeige bringen. Sind Sie auch da, Doktor? Großartig. So, und wenn nun jemand ein Stemmeisen oder so etwas Ähnliches griffbereit hätte, könnten wir mal einen Blick auf Urgroßväterchen Cuthbert werfen. Und wenn sich zeigt, daß nur altes Eisen darin ist, Mr. Pope, dann hatten Sie ungeheuren Spaß für Ihr Geld.»
Aus dem Bootshaus wurde eine Eisenstange geholt und unter die Haspe der Kiste geschoben. Diese knirschte und sprang auf. Dr. Conyers kniete sich zitternd hin und klappte den Deckel zurück.
Es war eine Weile still.
«Die Zeche geht an Sie, Mr. Pope», sagte Lord Peter. «Ich glaube, Doktor, das wird ein ganz hübsches Krankenhaus, wenn es fertig ist.»
10
Das ungelöste Rätsel von dem Mann ohne Gesicht
«Und was sagen Sie, Sir», fragte der Untersetzte, «zu der Geschichte mit dem Mann, den sie unten am Strand von East Felpham gefunden haben?»
Der Ansturm der Reisenden nach den Feiertagen hatte die dritte Klasse in die erste überquellen lassen, und der Untersetzte schien darauf bedacht, in dieser Umgebung zu Hause zu wirken. Der jüngere Herr, den er angesprochen hatte, schien den vollen Preis für die Abgeschiedenheit bezahlt zu haben, die er nun nicht genießen sollte. Er machte jedoch gute Miene zum bösen Spiel und antwortete höflich:
«Ich habe leider nur die Schlagzeilen gelesen. Ist er nicht ermordet worden?»
«Ermordet, das kann man wohl sagen», erklärte der Untersetzte genüßlich. «Und gräßlich zugerichtet.»
«Fast als wenn’s ein wildes Tier gewesen wäre», stimmte der magere ältere Herr gegenüber ein. «In meiner Zeitung steht, daß er gar kein Gesicht mehr hatte. Würde mich nicht wundern, wenn das mal wieder einer von diesen Wahnsinnigen war, die immerzu herumlaufen und kleine Kinder umbringen.»
«Du sollst doch nicht immer von so etwas reden», sagte seine Frau schaudernd. «Ich liege nachts schon wach und stelle mir vor, was Lizzies Kleinen alles passieren kann, bis mir nur noch der Kopf so brummt, und dann hab ich so ein flaues Gefühl im Magen, daß ich aufstehen und ein paar Kekse essen muß. Die sollten so schreckliche Sachen nicht auch noch immer in der Zeitung schreiben.»
«Das finde ich aber doch, Madam», sagte der Untersetzte, «denn dann sind wir gewissermaßen gewarnt und können uns entsprechend verhalten. Also, soweit ich das verstanden habe, hat dieser arme Mann allein an einer einsamen Stelle gebadet. Und nun mal abgesehen von Krämpfen und solchen Sachen, die ja jedem passieren können, ist so was von vornherein sehr dumm.»
«Genau das sag ich auch immer zu meinem Mann», ließ sich die junge Frau vernehmen. Der junge Ehemann zog die Stirn kraus und wirkte sichtlich betreten. «Es ist wirklich nicht ungefährlich, Schatz, und wo dein Herz doch nicht das stärkste ist – »
Ihre Hand tastete unter der Zeitung nach der seinen. Er zog
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