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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Mal von dort ins Wasser gesprungen.»
    «Und der Felsen erstreckt sich bis ins Inland zurück, wo er dann von kurzem Gras bewachsen ist.»
    «Stimmt auch.»
    «Der Mord hat sich kurz vor Hochwasserstand ereignet, denke ich, und die Leiche lag genau oberhalb der Hochwassermarke.»
    «Wieso das?»
    «Weil Sie sagen, daß die Fußspur direkt bis zur Leiche führte. Das heißt, daß das Wasser nicht bis über die Leiche hinausreichte. Andererseits waren keine weiteren Fußspuren da. Folglich müssen die Spuren des Mörders vom Hochwasser weggespült worden sein. Die einzige Erklärung dafür ist, daß die beiden Männer zusammen kurz unterhalb der Hochwassermarke gestanden haben müssen. Der Mörder kam aus dem Meer. Er griff den andern an – vielleicht drängte er ihn ein wenig in seiner eigenen Spur zurück – und brachte ihn um. Dann kam das Hochwasser und spülte alle Spuren fort, die der Mörder hinterlassen haben könnte. Man kann sich vorstellen, wie er dort hockte und sich fragte, ob das Wasser hoch genug hinaufreichen würde.»
    «Huh!» machte Kitty. «Sie machen einem ja eine richtige Gänsehaut.»
    «Nun zu dem verunstalteten Gesicht», fuhr der Erster-KlasseFahrgast fort. «Wie ich mir die Sache vorstelle, war der Mörder schon im Meer, als sein Opfer ankam. Verstehen Sie, was ich meine?»
    «Ich verstehe», sagte der Untersetzte. «Sie meinen, er ist von dem Felsen aus, von dem wir eben gesprochen haben, ins Wasser gesprungen und durchs Meer zurückgekommen, darum waren keine Fußabdrücke von ihm da.»
    «Genau. Und da das Wasser, wie Sie sagen, um den Felsen herum tief ist, war er vermutlich auch im Badeanzug.»
    «So sieht es aus.»
    «Eben. Und womit wurde nun das Gesicht verunstaltet? Die Leute haben für gewöhnlich kein Messer in der Badehose, wenn sie ihr Morgenbad nehmen.»
    «Das ist wirklich ein Rätsel», sagte der Untersetzte.
    «Nicht unbedingt. Sagen wir, der Mörder hatte entweder ein Messer bei sich oder nicht. Wenn er eins hatte –»
    «Wenn er eins hatte», mischte der Gezierte sich eifrig ein, «muß er dort eigens für das Opfer auf der Lauer gelegen haben. Und für meinen Geschmack unterstützt das meine Theorie von einem ausgeklügelten, raffinierten Komplott.»
    «Schon. Aber wenn er dort mit einem Messer auf der Lauer lag, warum hat er den Mann dann nicht kurzerhand erstochen? Warum ihn erwürgt, wenn er eine so hervorragende Waffe griffbereit bei sich hatte? Nein – ich glaube, daß er ohne jede böse Absicht dort war, und als er seinen Feind plötzlich vor sich sah, ist er nach guter britischer Art mit bloßen Händen auf ihn losgegangen.»
    «Aber das verunstaltete Gesicht?»
    «Nun, ich glaube, als er sein Opfer dann bezwungen und tot vor sich liegen hatte, war er noch so voller Wut, daß er unbedingt noch mehr Schaden anrichten mußte. Er schnappte sich das erste Beste, was unweit im Sand lag – könnte ein Stück altes Eisen gewesen sein, oder vielleicht sogar eine von diesen scharfkantigen Muscheln, die man manchmal sieht, oder eine Glasscherbe –, und damit ging er in seiner Raserei von Eifersucht oder Haß noch einmal auf ihn los.»
    «Entsetzlich, entsetzlich!» sagte die ältere Frau.
    «Natürlich kann man hier nur mutmaßen, solange man die Wunden nicht gesehen hat. Es ist durchaus möglich, daß der Mörder sein Messer im Kampf verloren hat und den eigentlichen Mord mit bloßen Händen begehen mußte, um das Messer erst hinterher wieder aufzuheben. Wenn die Wunden glatt und sauber sind, hat es sich wahrscheinlich so zugetragen, und dann war der Mord geplant. Wenn sie aber rauh und gezackt sind und von einer behelfsmäßigen Waffe stammen, dann würde ich sagen, es war eine Zufallsbegegnung, und der Mörder war entweder verrückt oder–»
    «Oder?»
    «Oder er war plötzlich jemandem begegnet, den er sehr haßte.»
    «Was glauben Sie, wie es danach weitergegangen ist?»
    «Das ist ziemlich klar. Nachdem der Mörder, wie gesagt, erst einmal gewartet hatte, um zu sehen, ob seine Fußabdrücke auch alle durch das Hochwasser beseitigt würden, ist er zu dem Felsen zurückgeschwommen oder -gewatet, wo er seine Kleider zurückgelassen hatte, und hat die Waffe mitgenommen. Das Meer hat dabei alles Blut von seinem Körper und Badeanzug abgewaschen. Er ist auf den Felsen gestiegen, barfuß, um im Seetang und dergleichen keine Spuren zu hinterlassen, ist zur Küste zurückgegangen, bis dorthin, wo das kurze Gras wächst, hat sich angezogen und ist zum Wagen des Ermordeten

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