Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
sowieso nicht gegangen», sagte Ferguson, «weil ich um Viertel nach drei auf der Ausstellung mit jemandem verabredet war, und der Zug um 13 Uhr 46 ist erst um 16 Uhr 34 in Glasgow. Ich mußte also in den sauren Apfel beißen. Im Hotel lag dann eine Nachricht für mich, daß der Mann zu einem kranken Verwandten gerufen worden war.»
«Kranke Verwandte sollten gesetzlich verboten sein», meinte Wimsey.
«Sehr richtig; ich war vielleicht sauer. Na ja, jedenfalls hab ich dann meinen Magnetzünder genommen und zu Sparkes & Crisp gebracht, und da liegt er heute noch, daß ihn der Teufel hole. Irgendwas mit der Spule, soweit ich die verstanden habe – aber ich glaube, die wußten’s selbst nicht. Dabei ist der Wagen so gut wie neu; erst ein paar Tausend drauf. Ich verlange jedenfalls Garantie.»
«Das ist doch schön», tröstete Wimsey. «Nun kann Sparkes & Crisp Ihnen ein wunderschönes Alibi geben.»
«Das ja; ich weiß zwar nicht mehr genau, wann ich dort war, aber das werden die ja wissen. Ich bin mit der Straßenbahn hingefahren. Da müßte ich wohl so gegen drei angekommen sein. Der Zug war natürlich eine Viertelstunde zu spät, wie immer.»
«Es waren eher schon zwanzig Minuten», warf Miss Selby heftig ein. «Wir haben uns furchtbar geärgert. Das ging doch von unserer Zeit mit Kathleen ab.»
«Bummelzüge haben immer Verspätung», sagte Wimsey. «Das gehört zum Fahrplan. Der ist eigens so angelegt, daß der Lokführer und der Schaffner bei jedem Halt aussteigen und den Garten des Bahnhofsvorstehers bewundern können. Sie kennen doch diese Gärtnerpreisausschreiben, die sie immer im Eisenbahner-Magazin veranstalten. So werden die nämlich durchgeführt. Der Schaffner steigt in Kirkgunzeon oder in Brig o’Dee aus und mißt mit dem Zollstock den dicksten Kürbis, dann sagt er: ‹Zwei Fuß vier Zoll – das rrreicht nicht, Mr. McGeoch. In Dalbeattie ham sie einen, der ist noch zwei Zoll dicker. He, George, komm doch mal rrrüber!› Dann geht also der Lokführer auch noch hin und sagt: ‹Och ja, hm, tja, dem geben Sie am besten mal ’n Fußbad aus Guano flüssig und Aspidistramilch.› Und dann fahren sie weiter nach Dalbeattie und erzählen dort, daß der Kürbis in Kirkgunzeon mit Riesenschritten aufholt. Da braucht ihr gar nicht zu lachen. Ich weiß, daß es so zugeht. Wozu würden die denn sonst immer Ewigkeiten auf diesen Bummelbahnhöfchen stehenbleiben?»
«Sie sollten sich was schämen», fand Miss Anderson. «Solchen Unsinn daherzureden, wo der arme Mr. Campbell gerade erst tot ist.»
«Morgen wird er doch begraben, oder?» kam es plötzlich taktlos von Jock Graham. «In Gatehouse. Geht einer hin? Ich hab keinen Hochzeitsanzug.»
«Ach du meine Güte!» rief Bob. «Da hab ich gar nicht daran gedacht. Wir werden wohl hin müssen. Sähe sonst komisch aus. Außerdem möchte ich dem armen Kerl wirklich die letzte Ehre erweisen. Wir können doch sicher so hingehen, wie wir sind.»
«Sie können nicht in diesem schrecklichen Tweedanzug hingehen, Bob», sagte Miss Selby.
«Warum nicht?» fragte Bob. «Ich kann in einem karierten Anzug genauso trauern wie in einem Frack, der nach Mottenkugeln riecht. Ich gehe in meiner normalen Arbeitskleidung hin – natürlich mit schwarzer Krawatte. Könnt ihr euch mich mit Zylinder vorstellen?»
«Papa, du bist scheußlich», fand Miss Anderson.
«Mein Gott!» rief Wimsey. «Hoffentlich hat Bunter daran gedacht, einen Kranz zu bestellen Aber er wird wohl. Er denkt ja immer an alles. Haben Sie schon entschieden, ob Sie vom Club aus einen schicken, Strachan?»
«Ja, ja», sagte Strachan. «Wir fanden alle, daß es doch richtiger wäre.»
«Das Schlimmste an Campbell», sagte ganz unerwartet der Mann mit dem Fünfer-Handicap, «war, daß er so schlecht verlieren konnte. Einmal aus der Bahn geschlagen oder ein verpatzter Annäherungsversuch, und aus war’s für den ganzen Nachmittag.»
Nachdem er sich diese Kritik von der Seele geredet hatte, hüllte er sich wieder in Schweigen und sprach kein einziges Wort mehr.
«Er sollte diesen Sommer in London eine Ein-Mann-Ausstellung haben, nicht?» meinte Ferguson.
«Die wird wahrscheinlich seine Schwester durchziehen», sagte der Doktor. «Dürfte ein großer Erfolg werden.»
«Ich verstehe nie, was der Doktor mit seinen Bemerkungen immer meint», sagte der junge Anderson. «Wie ist die Schwester überhaupt? Hat sie schon mal einer gesehen?»
«Sie war gestern hier», sagte Mrs. Anderson. «Eine nette,
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