Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
stille Person. Mir gefällt sie.»
«Was hält sie von der Geschichte?»
«Mein Gott, Jock, was soll sie schon davon halten? Sie wirkte sehr bedrückt, wie man sich ja vorstellen kann.»
«Eine Ahnung, wer’s getan haben könnte, hatte sie wohl auch nicht?» erkundigte sich Wimsey.
«Nein – soweit ich sie verstanden habe, hat sie ihren Bruder seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie ist in Edinburgh mit einem Ingenieur verheiratet, und wenn sie auch nicht viel gesagt hat, könnte ich mir doch vorstellen, daß die beiden Männer sich nicht besonders verstanden haben.»
«Das ist alles so unangenehm und rätselhaft», sagte Mrs. Anderson. «Ich kann nur hoffen, daß es sich schließlich als blinder Alarm herausstellt. Ich kann nicht wirklich glauben, daß irgend jemand hier ein Verbrechen begangen haben könnte. Die Polizei ist sicher nur auf eine Sensation aus. Wahrscheinlich war es am Ende doch ein Unfall.»
Der Doktor öffnete den Mund, doch dann fing er Wimseys Blick und schloß ihn wieder.
Wimsey nahm an, daß sein Kollege in Newton Stewart etwas gesagt haben mußte, und beeilte sich, die Unterhaltung in ein Fahrwasser zu manövrieren, das einerseits eine Warnung ermöglichte, andererseits vielleicht auch brauchbare Informationen ans Tageslicht förderte.
«Es kommt sehr darauf an», sagte er, «wie lange Campbell am Dienstag tatsächlich am Minnoch gesessen hat. Wir wissen – oder Ferguson zumindest weiß –, daß er gegen halb acht aufgebrochen ist. Es sind rund 27 Meilen – sagen wir also, er war zwischen halb und Viertel vor neun da. Wie lange würde er brauchen, um seine Skizze anzufertigen?»
«Wenn er von vorne anfängt?»
«Gerade das weiß man nicht. Aber nehmen wir an, er hat mit einer leeren Leinwand angefangen.»
«Was er wahrscheinlich hat», sagte Strachan. «Er hat mir am Montag seine Rohskizze auf dem Skizzenblock gezeigt, und am Montag war er nicht oben.»
«Soweit wir wissen», sagte Ferguson.
«Richtig. Soweit wir wissen.»
«Nun, also?» fragte Wimsey.
«Wir haben das Bild nicht gesehen», sagte Bob. «Wie sollen wir da etwas sagen?»
«Passen Sie mal auf», sagte Wimsey. «Ich wüßte, wie wir das ungefähr herausbekommen können. Nehmen wir mal an, Sie alle hier fangen mit einer Leinwand von entsprechender Größe und einer rohen Kohleskizze an – könnten Sie da irgend etwas zusammenpinseln, so gut wie möglich in Campbells Stil, während ich mit einer Stoppuhr dabeistehe? Dann könnten wir die Durchschnittszeit nehmen und hätten einen ungefähren Anhaltspunkt.»
«Rekonstruktion des Verbrechens?» lachte der junge Anderson.
«Gewissermaßen.»
«Aber Wimsey, das ist ja alles schön und gut. Nur, keine zwei Leute malen gleich schnell, und wenn ich zum Beispiel wie Campbell mit dem Spachtel malen wollte, käme ein ganz schönes Geschmiere heraus, und einbringen würde das gar nichts.»
«Kann sein – aber Ihre Stile sind sich eben sehr unähnlich, Ferguson. Jock dagegen kann jeden imitieren, das weiß ich, und Waters hat gesagt, es sei ganz leicht, einen völlig glaubwürdigen Campbell zu fälschen. Und Bob ist ein Experte mit dem Spachtel.»
«Ich spiele mit, Lord Peter», meldete sich zu seiner Überraschung Miss Selby. «Wenn es wirklich etwas nützen kann, macht es mir nichts aus, mich zum Narren zu machen.»
«Das ist die richtige Einstellung», sagte Graham. «Ich bin dabei, Peter.»
«Ich könnte mich auch mal daran versuchen», meinte Strachan.
«Also gut», sagte Bob. «Wir machen alle mit. Müssen wir uns dazu an den Ort der Tragödie begeben, Alter?»
«Um halb acht aufbrechen?» fragte Miss Selby.
«Es bringt nichts, wenn wir zu früh dort sind», wandte Strachan ein. «Wegen des Lichts.»
«Das ist ja auch so ein Punkt, den wir nachprüfen wollen», sagte Wimsey, «wie früh er überhaupt hat anfangen können.»
«Puh», machte Bob Anderson, «es geht entschieden gegen meine Prinzipien, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen.»
«Macht doch nichts», sagte Wimsey. «Bedenken Sie mal, wie nützlich das sein kann.»
«Na ja – hatten Sie an morgen früh gedacht?»
«Je eher, desto besser.»
«Fahren Sie uns hin?»
«Mit äußerstem Komfort. Und Bunter wird für heißen Kaffee und Sandwiches sorgen.»
«Das wird Spaß machen», freute sich Miss Selby.
«Wenn es also sein muß –» sagte Bob.
«Ich finde es gräßlich», sagte Ferguson. «Da in ganzen Wagenladungen hinzufahren und ein Picknick zu veranstalten. Was sollen die Leute von uns
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