Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
vorsprechen?«
»Na hören Sie, ich muß schon sagen.« Wimsey klemmte sich das Monokel fester ins Auge. »Wirklich, mein Bester, Sie bringen mich ja ganz in Verlegenheit.«
»Da, bitte!« rief Mr. Sullivan triumphierend. »Eine Stimme wie Fallobst. Trägt seine Klamotten hervorragend! Ich würde dir doch keinen andrehen, der nichts taugt, Rosencrantz, das weißt du doch.«
»Na ja«, räumte Rosencrantz zähneknirschend ein. »Können Sie mal ein paar Schritte gehen?«
Wimsey gehorchte und tänzelte mit zierlichen Schritten ins Büro, Mr. Sullivan schnurrend hinterdrein, gefolgt von Mr. Rosencrantz. Der entsetzte Horrocks erwischte Mr. Sullivan am Ärmel.
»Aufpassen«, sagte er, »ich glaube, das ist ein Mißverständnis.«
»Was heißt hier Mißverständnis?« zischte sein Arbeitgeber wütend zurück. »Ich weiß nicht, wer der Kerl ist, aber er ist genau das, was ich brauche, also mischen Sie sich da nicht ein.«
»Haben Sie schon einmal eine Hauptrolle gespielt?« wollte Rosencrantz von Wimsey wissen.
Lord Peter blieb in der Zwischentür stehen und ließ den Blick arrogant über das versteinerte Publikum schweifen.
»Ich habe«, verkündete er, »schon vor allen gekrönten Häuptern Europas gespielt. Herunter mit der Maske! Der Wurm hat sich gewendet! Ich bin Lord Peter Wimsey, der Spürhund vom Piccadilly, hart auf der Fährte eines Mörders.«
Er zog die beiden beleibten Herren ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
»Guter Abgang«, bemerkte jemand.
»Mann!« stöhnte der Inspektor. »Ich werd’ verrückt!«
Er strebte auf die Tür zu, und diesmal setzte Horrocks ihm keinen Widerstand entgegen.
»So, so, so«, sagte Mr. Sullivan. »So, so !« Er drehte Wimseys Visitenkarte hin und her und starrte sie an. »Schade, schade. So ein Pech aber auch, was, Rosencrantz? Mit dem Gesicht könnten Sie ein Vermögen verdienen.«
»Für mich ist da jedenfalls nichts zu holen«, sagte Mr. Rosencrantz, »da kann ich auch gleich gehen. Der Wurm ist ein guter Wurm, Sullivan, wie schon Shakespeare sagt, aber er ist nicht zu haben. Oder hätte Lord Peter vielleicht Lust? Würde sich doch gut machen, nicht? Lord Peter Wimsey in der Titelrolle? Adel steht heute nicht so hoch im Kurs, aber Lord Peter kennt man. Er tut etwas. Heutzutage wollen alle sehen, daß einer was tut. Ein Lord ist nichts, aber ein Lord, der den Atlantik überfliegt oder einen Hutladen führt oder Morde aufklärt – da könnte man was draus machen, was meinen Sie?«
Mr. Sullivan sah Wimsey hoffnungsvoll an.
»Bedaure«, sagte Seine Lordschaft, »es geht nicht.«
»Die Zeiten sind schlecht«, sagte Mr. Rosencrantz, dessen Begeisterung in dem Maße wuchs, in dem der begehrte Artikel sich aus seiner Reichweite entfernte, »aber ich mache Ihnen ein gutes Angebot. Was würden Sie zu zweihundert die Woche sagen?«
Wimsey schüttelte den Kopf.
»Dreihundert?« schlug Mr. Rosencrantz vor.
»Bedaure, Verehrtester. Ich bin nicht zu haben.«
»Also gut, fünfhundert.«
»Dürfte ich einmal etwas sagen?« warf Mr. Umpelty ein.
»Hat keinen Zweck«, sagte Mr. Sullivan. »Sehr schade, aber es hat keinen Zweck. Sie sind vermutlich reich, wie? Ein Jammer. Das bleibt aber nicht ewig so, müssen Sie wissen. Bei den Steuern! Da sollte man nehmen, was man kriegen kann. Immer noch nicht?«
»Zum letztenmal – nein«, sagte Wimsey.
Mr. Rosencrantz seufzte.
»Na ja – ich sollte mal lieber gehen. Bis morgen, Sully. Bis dahin hast du was für mich, ja?«
Er entfernte sich, aber nicht durchs Vorzimmer, sondern durch den Privateingang auf der anderen Seite des Zimmers. Mr. Sullivan wandte sich seinen Besuchern zu.
»Sie wollten was von mir? Sagen Sie, was Sie wollen, und machen Sie’s kurz. Ich habe zu tun.«
Der Inspektor zeigte ihm Olgas Foto.
»Die kleine Kohn, wie? Ja. Was ist mir ihr? Keine Geschichten, oder? Ein gutes Mädchen. Fleißig. Hier liegt nichts gegen sie vor.«
Der Inspektor erklärte ihm, daß sie gern gewußt hätten, ob Mr. Sullivan in letzter Zeit Fotos von Olga ausgegeben habe.
»Also, da muß ich mal nachdenken. Sie war ziemlich lange nicht hier. Arbeitet als Mannequin, glaube ich. Ist auch besser für sie. Ein gutes Mädchen, und hübsch, aber spielen kann sie nicht, das arme Kind. Einen Moment. Wo ist Horrocks?«
Er ging zur Tür, öffnete sie vorsichtig und brüllte »Horrocks!« durch den Spalt. Der Sekretär schlüpfte herein.
»Horrocks! Sie kennen das Foto von der kleinen Kohn, ja? Haben wir das in letzter
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