Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Inspektor.
»Gleich«, sagte der Sekretär und schrieb etwas in ein großes Buch.
»Ich habe keine Zeit zu verschwenden«, sagte der Inspektor und ging auf die Zwischentür zu.
»Mr. Sullivan ist nicht da«, sagte der Sekretär, indem er ihn mit der Behendigkeit eines Aals abfing.
»O doch, er ist da«, antwortete der Inspektor. »Behindern Sie mich gefälligst nicht in der Ausübung meiner Pflicht.« Er schob den Sekretär mit der einen Hand beiseite und riß mit der andern die Tür auf, hinter der gerade eine spärlichst bekleidete Dame zwei korpulenten Herren mit dicken Zigarren ihre Reize vorführte.
»Tür zu, verdammt!« sagte einer dieser Herren, ohne sich umzusehen. »Hier zieht’s wie verrückt, und Sie lassen uns das ganze Volk hier rein.«
»Wer von Ihnen ist Mr. Sullivan?« herrschte der Inspektor sie an und hielt verbissen die Stellung, während er die zweite Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers anfunkelte.
»Sullivan ist nicht hier. Und nun machen Sie schon die Tür zu, ja?«
Der Inspektor zog sich, inmitten lauten Beifalls aus dem Vorzimmer, betreten zurück.
»Hören Sie mal«, sagte Wimsey, »was glauben Sie, was dieser Kerl hiermit meint? – ›Strahlenden Auges nach Verschlucken eines flügellosen Zweibeiners.‹ Klingt nach dem Tiger aus dem Limerick von der Dame in Riga.«
Der Inspektor schnaubte nur durch die Nase.
Eine Zeitlang tat sich nichts. Dann ging die Zwischentür wieder auf, und die junge Dame trat heraus, vollständig angezogen und offensichtlich bester Laune, denn sie lächelte in die Runde und bemerkte zu einer Bekannten, die neben Wimsey saß: »Alles in Butter, mein Schatz. ›Aeroplane Girl‹, vorderste Reihe, Singen und Tanzen. Nächste Woche geht’s los.«
Die Bekannte gratulierte in angemessener Form, die beiden Herren mit den Zigarren kamen mit Hüten auf den Köpfen heraus, und die Versammelten stürzten sich auf die Zwischentür.
»Bitte, meine Damen«, protestierte der Sekretär, »das hat doch überhaupt keinen Zweck. Mr. Sullivan hat zu tun.«
»Hören Sie mal«, sagte der Inspektor.
In diesem Augenblick ging die Tür einen Spaltbreit auf, und eine ungeduldige Stimme brüllte: »Horrocks!«
»Ich sag’s ihm«, versicherte der Sekretär hastig und schlüpfte geschickt durch den Türspalt, wobei er die Bemühungen einer Blondine, die Blockade zu brechen, erfolgreich durchkreuzte.
Bald ging die Tür wieder auf, und die Brüllstimme ließ sich mit den Worten vernehmen: »Und wenn er der liebe Gott persönlich ist, muß er warten. Schicken Sie mir das Mädchen rein, und – oh, Horrocks –«
Der Sekretär drehte sich um – zu seinem Verhängnis. Die Sylphe war im Nu an ihm vorbeigeschlüpft. Es gab einen Zank auf der Schwelle. Dann ging die Tür mit einemmal ganz auf und spie auf einen Sitz die Sylphe, den Sekretär und einen ungeheuer dicken Mann aus, dessen gutmütiges Gesicht in krassem Gegensatz zu seiner Brüllstimme stand.
»Also, Grace, mein Kind, es ist völlig zwecklos. Es ist heute nichts da für dich. Du stiehlst mir nur die Zeit. Nun sei ein braves Mädchen. Ich sag dir schon Bescheid, wenn ich was habe. Hallo, Phyllis, wieder im Land? Recht so. Ich brauche dich vielleicht nächste Woche. Nein, Mutti, heute kein Bedarf für grauhaarige Muttchen. Ich – hoppla!«
Sein Blick war auf Wimsey gefallen, der mit seinem Kreuzworträtsel nicht weiterkam und auf der Suche nach Inspiration leer in die Gegend blickte.
»He, Horrocks! Warum haben Sie mir nichts davon gesagt? Was glauben Sie, wofür ich Sie bezahle? Um mir die Zeit zu stehlen? He, Sie da, wie heißen Sie? Sie waren noch nie hier, wie? Ihren Typ brauche ich. Rosencrantz!«
Ein weiterer Herr, nicht ganz so umfangreich, aber auch wohlbeleibt, erschien an der Tür.
»Ich hab dir doch gesagt, daß wir noch das Richtige für dich finden«, brüllte der erste Herr aufgeregt.
»Für was?« frage Mr. Rosencrantz gelangweilt.
»Für was?« Entrüstung schwang in der Stimme. »Natürlich für Der Wurm hat sich gewendet, was denn sonst? Hast du schon mal so einen vollkommenen Typ gesehen? Der ist genau der richtige für dich, mein Junge. Der haut die Leute um! Die Nase allein rettet dir das Stück.«
»Kann ja sein, Sullivan«, erwiderte Rosencrantz, »aber kann er auch spielen?«
»Spielen?« explodierte Mr. Sullivan. »Der braucht nicht zu spielen. Der braucht nur aufzutreten. Sieh ihn dir doch an! Der perfekte Wurm. He, Sie, Mister, können Sie uns nicht mal was
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