Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
schreibt prompt zurück und erzählt dem sogenannten Boris alles, was er über sich selbst weiß oder sich einbildet. Von da an wird natürlich die Geheimschrift benutzt, um Alexis in der richtigen Stimmung zu halten und ihm etwas Schönes zum Spielen zu geben. Dann konstruiert ›Boris‹ (das heißt Morecambe) aus den Bröckchen Familiengeschichte, die Alexis ihm liefert, einen zu diesen Daten passenden Phantasiestammbaum und entwirft einen großartigen Plan, wie Alexis auf den russischen Zarenthron zu heben sei. Inzwischen liest Alexis Bücher über russische Geschichte und hilft seinem Mörder entgegenkommenderweise, die Falle zu spannen und mit Ködern zu bestücken. Schließlich teilt ›Boris‹ ihm mit, daß die Konspiration jetzt jederzeit reif zur Durchführung ist; und das ist der Zeitpunkt, von dem an wir erleben, daß Alexis sich in geheimnisvollen Andeutungen und Prophezeiungen über seine bevorstehende Apotheose ergeht.«
»Einen kleinen Augenblick«, sagte Glaisher. »Ich hätte gedacht, es wäre für Morecambe am leichtesten gewesen, Alexis zum Bruch mit Mrs. Weldon zu veranlassen, einfach mit der Begründung, daß er nach Rußland gehen und Zar werden müsse. Damit wäre das Ziel des Komplotts erreicht gewesen, ohne daß sie das arme Würstchen hätten abmurksen müssen.«
»So, meinen Sie?« fragte Wimsey. »Erstens könnte ich mir vorstellen, daß Mrs. Weldons romantische Reaktion auf so etwas gewesen wäre, Alexis große Summen für die kaiserliche Kriegskasse zu übereignen, was wohl kaum im Sinne der Firma Weldon und Morecambe gewesen wäre. Zweitens, wenn Alexis das Verlöbnis gelöst hätte und sie darauf vertrauten – wie wäre es weitergegangen? Sie hätten nicht gut bis an ihr Lebensende Geheimbriefe über imaginäre Konspirationen schreiben können. Früher oder später hätte auch Alexis begriffen, daß aus der Sache nie etwas werden würde. Er hätte es Mrs. Weldon erzählt, und aller Wahrscheinlichkeit nach wäre der Status quo wiederhergestellt worden. Und die Dame wäre auf die Heirat noch erpichter denn je gewesen, wenn sie geglaubt hätte, ihr Verlobter sei der verkannte Herrscher aller Reußen. Nein, es war am sichersten, Alexis einzuschärfen, daß er das Ganze absolut geheimhalten müsse, und wenn dann der Zeitpunkt gekommen war, konnten sie ihn ein für allemal beseitigen.«
»Hm – ja, das verstehe ich schon.«
»Nun kommen wir zu Leila Garland. Ich glaube, es gibt keinen Zweifel, daß Alexis sie bewußt unserem eingebildeten jungen Freund da Soto angedreht hat – obwohl natürlich weder da Soto noch sie selbst diese Möglichkeit auch nur für einen Augenblick in Betracht ziehen würden. Ich denke, Antoine hat da genau den richtigen Eindruck; er ist in solchen Dingen wahrscheinlich ein sehr erfahrener Beobachter. Leila wäre eine ausgesprochene Gefahr gewesen, wenn sie von der angeblichen Konspiration etwas gewußt hätte. Sie hätte auf jeden Fall geredet, und das konnten sie nicht brauchen. Wir dürfen nicht vergessen, daß ja alles auf einen vorgetäuschten Selbstmord hinauslaufen sollte. Junge Kaiser, die sich anschicken, erfolgreiche Revolutionen auszuführen, begehen im allgemeinen nicht Selbstmord. Leila in das Komplott einzuweihen hätte bedeutet, es gleich der ganzen Welt mitzuteilen. Darum mußte Leila aus dem Weg, denn wenn man sie weiter in engem Kontakt mit Alexis gelassen hätte, wäre es nahezu unmöglich gewesen, sie noch lange in Unwissenheit zu halten.«
»Das klingt, als ob Alexis ein kleiner Lump gewesen wäre«, sagte Inspektor Umpelty. »Zuerst läßt er das Mädchen sitzen. Dann führt er Mrs. Weldon an der Nase herum, indem er ihr ein Heiratsversprechen gibt, das er nie zu halten gedenkt.«
»Nein«, sagte Wimsey. »Sie müssen den staatspolitischen Aspekt berücksichtigen. Ein Prinz im Exil darf durchaus unstandesgemäße Verbindungen eingehen, aber wenn dann der Ruf an ihn ergeht, den Thron zu besteigen, muß er alle persönlichen Bande seiner öffentlichen Pflicht opfern. Eine bloße Mätresse wie Leila kann man fallenlassen oder jemand anderem andrehen. Eine Person, an die er durch ehrbare Bande geknüpft ist, muß zwar auch geopfert werden, aber bitte etwas feierlicher. Wir wissen nicht und werden nie wissen, was Alexis mit Mrs. Weldon genau im Sinn hatte. Wir haben ihr Wort, daß er versucht hat, sie auf irgendeine großartige und überraschende Entwicklung in naher Zukunft vorzubereiten, obwohl sie das natürlich falsch interpretiert hat. Ich

Weitere Kostenlose Bücher