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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nehme an, Alexis wollte ihr nach seiner Abreise nach Warschau einen Brief schreiben, in dem er ihr mitteilte, was ihm widerfahren war, und ihr seine Gastfreundschaft am Zarenhof anbot. Das Ganze wäre umgeben gewesen von einem Heiligenschein aus Romantik, Glanz und Selbstaufopferung, und zweifellos hätte Mrs. Weldon das gehörig ausgekostet. Da ist noch eines: Obwohl Alexis, bevor diese ganze Rußlandgeschichte losging, Mrs. Weldon vollkommen am Gängelband hatte, hat er offenbar nie größere Geldsummen von ihr angenommen – und das spricht sehr für ihn, finde ich, und zeigt, daß er irgendwo doch ein Gentleman war, wenn auch nicht gerade ein Prinz.«
»Das stimmt«, sagte Glaisher. »Ich glaube, ohne diese angebliche Konspiration hätte er sie sogar geheiratet.«
»O ja, das glaube ich auch. Er hätte sie geheiratet und seine Pflicht ihr gegenüber nach eigenen Maßstäben erfüllt, die wahrscheinlich – nun, kontinentaleuropäisch waren. Er wäre ihr ein charmanter Ehegatte gewesen und hätte sich auf diskrete und anständige Weise eine Mätresse gehalten.«
Inspektor Umpelty schien geneigt zu sein, das Wort »anständig« in Frage zu stellen, aber Wimsey fuhr in seiner Argumentation fort.
»Ich kann mir sogar vorstellen, daß es Alexis selbst ein wenig gegen den Strich gegangen ist, so mit Leila und Mrs. Weldon zu verfahren. Er hat Leila womöglich wirklich gern gehabt; oder es war ihm nicht ganz geheuer, Mrs. Weldon sitzenzulassen. Und darum hat man schnell Feodora erfunden.«
»Und wer ist Feodora?«
»Feodora sollte zweifellos eine Dame mit erlauchtem Stammbaum sein, die als Braut für den neuen Zaren Pawlo Alexeiwitsch ausersehen war. Was war leichter, als zu einem Theateragenten zu gehen, sich das Bild einer nicht allzu bekannten Dame russischer Abstammung zu besorgen und es Alexis als das Porträt der Prinzessin Feodora zu schicken, der schönen Dame, die im Exil auf ihn wartete und für ihn arbeitete, bis für sie die Stunde kam, neben ihm auf dem Zarenthron Platz zu nehmen? Diese dämlichen Romane, die Alexis so liebte, sind voll von so etwas. Vielleicht sind auch Briefe von Feodora gekommen, voll zärtlicher Vorfreude. Sie hatte sich schon nach allem, was sie von ihm gehört hatte, in Großherzog Pawlo verliebt. Das Ganze war so phantastisch, daß es ihn völlig verzauberte. Außerdem wäre es seine Pflicht gegenüber seinem Volk gewesen, Feodora zu heiraten. Wie konnte er da zögern? Ein Blick auf dieses sehr schöne Gesicht, gekrönt mit königlichem Perlenschmuck –«
»Oh!« sagte Glaisher. »Ja, natürlich. Das könnte mit ein Grund dafür gewesen sein, daß sie ausgerechnet dieses Bild genommen haben.«
»Eben. Zweifellos waren die Perlen von Woolworth, wie die ganze romantische Illusion überhaupt, aber solche Dinge erfüllen ihren Zweck, Glaisher, sie erfüllen ihren Zweck. Mein Gott, Glaisher – wenn man sich vorstellt, wie dieser arme, dumme Tropf zu dem Felsen geht, wo der Tod auf ihn wartet, während in seinem Kopf Ideen von Kaiserkronen schwirren –«
Wimsey verstummte, von ungewohnt heftigen Gefühlen erschüttert. Die beiden Polizisten scharrten mitfühlend mit den Füßen.
»Na ja, es ist schon eine Schande, Mylord, das steht fest«, sagte Glaisher. »Hoffen wir, daß er wenigstens schnell gestorben ist, ohne die Wahrheit zu erfahren.«
»Ha!« rief Wimsey. »Und wie ist er gestorben? Das ist nämlich der große Haken. Aber gut, lassen wir das noch für den Augenblick. Wie geht’s weiter? Richtig, die dreihundert Pfund in Gold. Das war ein ulkiger kleiner Zufall, der beinahe das ganze Komplott zum Scheitern gebracht hätte.
Ich kann nämlich nicht glauben, daß sie zum ursprünglichen Plan gehörten. Die Möglichkeit, dieses Gold zu kassieren, konnte Morecambe nicht vorhersehen. Ich nehme an, das war Alexis’ höchsteigener Beitrag zu der Romanze. Wahrscheinlich hatte er in Büchern etwas über Gold gelesen – daß es überall als Zahlungsmittel gilt und so weiter – und fand es irgendwie besonders passend, mit einem Gürtel voll Gold aufzubrechen, um einen Thron zu erobern. Es war natürlich absurd – eine lächerlich kleine Summe, außerdem sperrig und schwer mit sich herumzuschleppen – aber es war Gold. Es glänzte. Wie einmal jemand gesagt hat: ›Der Glanz ist das Gold.‹ Das klingt nach Relativitätsphysik, ist aber eine psychologische Tatsache. Wenn Sie ein romantischer junger Prinz wären, Glaisher, oder einer zu sein glaubten, würden Sie lieber Ihre Rechnungen mit

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