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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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versengtes Stück von einem dünnen Seil. Wimsey steckte es ein, da er nichts Besseres damit anzufangen wußte, und suchte weiter.
    Mr. Martin war im großen und ganzen ein ordentlicher Zeltplatzbenutzer gewesen und hatte keine allzu deutlich sichtbaren Abfallhaufen hinterlassen. Freilich, auf der rechten Seite des Zeltplatzes stand das Überbleibsel einer verkümmerten Dornenhecke, die einmal das Häuschen des alten Mr. Hinks umgeben hatte, und halb vergraben unter dieser Hecke fand Wimsey ein ekelerregendes Versteck: leere Konservendosen und Flaschen in großer Zahl, einige neueren Datums, andere offensichtlich schon von früheren Zeltplatzbenutzern hier zurückgelassen; die Kanten einiger Brotlaibe, Knochen von einem Lammkotelett, ein altes Kochgeschirr mit einem Loch im Boden, eine halbe Krawatte, eine Rasierklinge (noch scharf genug, um sich damit in die Finger zu schneiden) und eine mausetote Möwe. Eine sorgfältige, den Rücken strapazierende Suche auf dem ganzen Zeltplatz belohnte den eifrigen Spürhund ferner mit einer unmäßigen Menge abgebrannter Streichhölzer, sechs leeren Streichholzschachteln einer ausländischen Marke, Tabakresten aus mehreren Pfeifen, drei Haferkörnern, einem zerrissenen Schnürsenkel (braun), den Stengeln von etwa einem Pfund Erdbeeren, sechs Pflaumenkernen, einem Bleistiftstumpf, einer verbogenen Reißzwecke, fünfzehn Bierflaschenverschlüssen, einem Flaschenöffner. Auf dem harten Rasen fanden sich keine identifizierbaren Fußspuren.
    Müde und erhitzt sammelte Lord Peter seine Beute ein und streckte die verkrampften Glieder. Der Wind, der immer noch stark vom Meer herüberblies, tat seiner verschwitzten Stirn wohl, mochte er die Bergungsbemühungen des Inspektors noch so sehr stören. Der Himmel war bewölkt, aber solange der Wind wehte, würde es wohl so bald nicht regnen, und darüber war er froh, denn Regen konnte er nicht brauchen. In seinem Kopf formte sich eine noch unbestimmte Idee. Morgen wollte er mit Harriet Vane einen Spaziergang machen. Im Augenblick konnte er hier nichts mehr tun. Also wollte er zurückfahren, sich umziehen, essen und wieder ein normaler Mensch sein.
    Er fuhr nach Wilvercombe.
    Nachdem er ein heißes Bad genommen und ein frisches Hemd und darüber einen Smoking angezogen hatte, fühlte er sich wieder wohler und rief im Resplendent an, um Harriet zu bitten, mit ihm zu Abend zu essen.
    »Tut mir leid, ich glaube, ich kann nicht. Ich esse schon mit Mrs. Weldon und ihrem Sohn.«
    »Ihrem Sohn?«
    »Ja; er ist vorhin angekommen. Kommen Sie doch nach der Fütterung mal her, um ihn kennenzulernen.«
    »Ich weiß nicht so recht. Was ist er für einer?«
    »Ah, ja – ja, er ist hier und möchte sehr gern Ihre Bekanntschaft machen.«
    »Aha, verstehe. Man hört uns zu. Dann komme ich am besten und sehe ihn mir mal an. Sieht er gut aus?«
    »Doch, ziemlich! Kommen Sie so gegen Viertel vor neun.«
    »Na, dann sagen Sie ihm aber lieber gleich, daß wir verlobt sind, damit es mir erspart bleibt, ihn meuchlings ermorden zu müssen.«
    »Sie kommen also? Wunderbar.«
    »Wollen Sie mich heiraten?«
    »Natürlich nicht. Wir erwarten Sie um Viertel vor neun.«
    »Na schön, und hoffentlich bleibt Ihnen der Bissen im Halse stecken.«
    Wimsey verzehrte nachdenklich sein einsames Mahl. War er das also? Der Sohn, der kein Herz für seine Mutter hatte? Was tat er hier? Hatte er plötzlich doch ein Herz für sie entdeckt? Hatte sie nach ihm geschickt, oder ihn gar durch finanziellen Druck oder sonstwie zum Kommen gezwungen? War er vielleicht ein neuer Faktor in der Rechnung? Er war der einzige Sohn, und sie war eine reiche Witwe. Hier gab es immerhin einen Menschen, dem Paul Alexis’ Verschwinden als ein Gottesgeschenk erscheinen mußte. Den Mann mußte man sich ganz gewiß ansehen.
    Er ging nach dem Essen ins Resplendent, wo man ihn bereits im Salon erwartete. Mrs. Weldon, die ein einfaches »kleines Schwarzes« trug und darin so alt aussah, wie sie war, begrüßte Wimsey überschwenglich.
    »Mein lieber Lord Peter! Ich bin ja so froh, daß Sie kommen. Darf ich Ihnen meinen Sohn Henry vorstellen? Ich habe ihm geschrieben und ihn gebeten, herzukommen und uns über diese schreckliche Zeit hinwegzuhelfen, und es war so lieb von ihm, daß er seine Arbeit liegengelassen hat und gleich zu mir gekommen ist. Wirklich sehr lieb von dir, Henry. Ich habe Henry gerade erzählt, wie freundlich Miss Vane zu mir war, und wie sehr Sie beide sich bemühen, Pauls Andenken von jedem

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