Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
habe früher mal ein Häuschen gestanden, das einem alten Mann namens Hinks gehört habe – ein Original – las regelmäßig jedes Jahr einmal die Bibel von vorn bis hinten durch, und hoffentlich hat es ihm was genützt, denn er war Zeit seines Lebens ein Taugenichts gewesen. Aber das war vor Urzeiten, und das Häuschen war jetzt verfallen. Niemand ging mehr dorthin, außer zum Zelten. Mr. Martin hatte nicht nach einem Platz zum Zelten gefragt, sondern von vornherein gebeten, am Hinks’s Lane zelten zu dürfen – ja, er hatte ausdrücklich den Namen genannt. Mr. Goodrich hatte Mr. Martin noch nie zuvor gesehen, und er (Mr. Goodrich) wußte immer ziemlich genau, was im Dorf vorging. Er war fast hundertprozentig sicher, daß Mr. Martin noch nie zuvor in Darley gewesen war. Zweifellos mußte ihm jemand vom Hinks’s Lane erzählt haben – dorthin kamen regelmäßig Leute zum Zelten. Da unten waren sie niemandem im Wege, und dort konnten sie auch keine Flurschäden anrichten und keine Gatter offen lassen, höchstens mal über Bauer Newcombes Wiese laufen, die gleich hinter der Hecke anfing, aber dafür gab es gar keinen Grund, denn die Wiese führte nirgendshin. Der Bach, der durch die Wiese lief, mündete keine fünfzig Meter vom Zeltplatz entfernt auf den Strand, und das Wasser war trinkbar, außer natürlich bei Hochflut, dann war es brackig. Wenn Mr. Goodrich es sich jetzt recht überlegte, glaubte er sich zu erinnern, daß Mr. Newcombe sich über ein Loch in seiner Hecke beschwert hatte, aber das wußte er nur von Geary, dem Schmied, der ein notorischer Schwätzer war, und er (Mr. Goodrich), konnte sich nicht vorstellen, was dieses Loch mit Mr. Martin zu tun haben sollte. Mr. Newcombe hielt seine Hecken und Zäune nicht gerade vorbildlich in Schuß, und wenn Löcher darin waren, kam es eben vor, daß Tiere ausbrachen. Davon abgesehen wußte er (Mr. Goodrich) nichts Nachteiliges über Mr. Martin. Er schien sich ruhig verhalten zu haben, und überhaupt lag der Hinks’s Lane außer Sicht- und Hörweite vom Dorf, so daß einer, der dort zeltete, überhaupt niemanden stören konnte. Manche von ichnen brachten Grammophone oder Ziehharmonikas oder Ukulelen mit, je nach Geschmack und sozialer Stellung, aber Mr. Goodrich hatte nichts dagegen, wenn sie sich amüsierten, solange sie nur niemanden störten. Er verlangte nie ein Entgelt dafür, daß jemand auf seinem Grund und Boden zeltete – ihm tat es schließlich nicht weh, und er sah nicht ein, warum er Geld dafür nehmen sollte, daß er den armen Teufeln, die in der Stadt leben mußten, dazu verhalf, einmal ein bißchen frische Luft zu schnuppern und einen Schluck Wasser zu trinken. Gewöhnlich bat er sie nur, den Platz so sauber wie möglich wieder zu verlassen, und normalerweise gab es da auch niemals irgendwelche Anstände.
Wimsey bedankte sich bei Mr. Goodrich und nahm seine freundliche Einladung zum Tee an. Um sechs Uhr verabschiedete er sich, wohlgesättigt von Teegebäck und Sahne, und hatte gerade noch ein bißchen Zeit, dem Zeltplatz einen Besuch abzustatten und so das Kapitel Mr. Martin abzurunden. Er fuhr den steinigen kleinen Weg hinunter und traf bald auf Spuren von Mr. Martins jüngst erfolgtem Aufenthalt. Der Weg mündete auf einer ebenen, mit Grasbüscheln bewachsenen Fläche, hinter der ein Gürtel aus Steinen und Geröll sanft zum Meer abfiel. Die Flut war zu drei Vierteln zurückgekehrt, und der Strand wurde, je näher er dem Wasser kam, immer glatter; wahrscheinlich fand man bei Ebbe einen schmalen Streifen reinen Sandes vor.
Die Radspuren des Morris waren auf dem groben Rasen noch schwach zu sehen, und ein Ölfleck zeigte an, wo er abgestellt gewesen war. Ganz in der Nähe befanden sich noch die Löcher von den Pflöcken eines kleinen Einmannzelts. In der Asche eines vollständig heruntergebrannten Holzfeuers lag ein Stück fettiges, zusammengeknülltes Zeitungspapier, mit dem offensichtlich eine Bratpfanne ausgewischt worden war. Ein wenig widerstrebend zog Wimsey das eklige Papier auseinander und warf einen Blick auf das Kopfende. Es war der Morning Star vom Donnerstag; nichts weiter Aufregendes daran. Eine sorgsame Suche in der Asche förderte keine blutgetränkten Kleidungsreste zutage – nicht einmal einen Knopf –, keine halbverbrannten Papiere, die einen Hinweis auf Mr. Martins wahre Identität und Adresse gegeben hätten. Das einzige, was irgendwie bemerkenswert erschien, war ein etwa acht Zentimeter langes, an beiden Enden stark
Weitere Kostenlose Bücher