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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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undurchschaubarer Herkunft nie wissen. Und gerade als sie das dachte, zückte da Soto seine Uhr.
    »Meine Damen und Herren, Sie müssen mich entschuldigen, ich habe um zwei Uhr Probe. Wie immer dienstags und donnerstags.«
    Er verbeugte sich und entfernte sich mit seinem wiegenden Gang, der ein Mittelding zwischen Schlendern und Stolzieren war. Hatte er den Donnerstag absichtlich erwähnt, um auf ein Alibi für Donnerstag, den 18. Juni aufmerksam zu machen? Und woher kannte er die Zeit, für die ein Alibi benötigt wurde? Diese eine Information war nämlich bewußt nicht an die Zeitungen gegeben worden und würde wohl auch vor der Voruntersuchung nicht in die Zeitungen gelangen. Und doch – konnte man dieser Bemerkung irgendwelche Bedeutung beimessen? Ein Alibi, das auf einer Orchesterprobe basierte, war ebenso leicht zu konstruieren wie zu widerlegen. Dann fiel ihr eine Erklärung ein: Die Polizei hatte da Soto sicher schon nach seinem Tun und Lassen am Donnerstag gefragt. Aber dabei hatte sie den entscheidenden Zeitpunkt bestimmt nicht derart betont. Auch sie war der Meinung gewesen, je weniger die Leute wüßten, desto besser wäre es – es würde die Ermittlungen voranbringen, wenn einer daherkäme und auffällig mit einem Alibi für zwei Uhr wedelte.
    Als Harriet mit Antoine zurückfuhr, wußte sie noch immer nichts mit da Soto anzufangen. Es war erst Viertel nach zwei. Sie hatte noch Zeit, einen neuen Plan auszuführen, den sie sich ausgedacht hatte. Sie packte ein paar Sachen in einen Koffer und wollte jetzt einmal sehen, was aus Mrs. Lefranc, Paul Alexis’ Wirtin, herauszubekommen war.
    Die Tür zu der billig aussehenden Pension würde ihr von einer korpulenten Person mit bronzefarbenem Haar geöffnet, die einen rosa Morgenmantel, Seidenstrümpfe mit Laufmaschen, grüne Samtpantoffeln und um den dick gepuderten Hals eine Kette aus taubeneiergroßen Kunstbernsteinperlen trug.
    »Guten Tag«, sagte Harriet, »ich suche ein Zimmer.«
    Die Frau musterte sie aus listigen Augen und fragte: »Sind Sie Künstlerin, Kindchen?«
    Ja zu sagen, war verlockend, aber riskant. Mrs. Lefranc sah so aus, als ob man das wenige, was sie über »Künstler« nicht wußte, auf einen Daumennagel schreiben könnte. Außerdem war Harriet in Willvercombe allmählich bekannt – sie konnte kaum hoffen, ihre Identität für immer verheimlichen zu können.
    »Nein«, sagte sie. »Ich schreibe Bücher. Um es gleich zu sagen, Mrs. Lefranc, ich bin diejenige, die letzte Woche den armen Mr. Alexis gefunden hat. Bisher habe ich im Resplendent gewohnt, aber das ist so furchtbar teuer, und da dachte ich, wenn das Zimmer hier noch frei wäre, könnte ich es vielleicht bekommen.«
    »Je nun«, sagte Mrs. Lefranc. Sie öffnete die Tür ein Stückchen weiter, immer noch schwankend zwischen Argwohn und Neugier. »Je nun! Ich weiß gar nicht, was ich da sagen soll. Sie gehören nicht zu diesen Journalisten?«
    »Du lieber Himmel, nein«, antwortete Harriet.
    »Denn«, sagte Mrs. Lefranc, »bei denen weiß man nie, wie man dran ist. Zu Tode geplagt haben sie mich, und ihre langen Nasen in meine Privatangelegenheiten gesteckt. Aber bei Ihnen ist das Interesse ja nur natürlich, Kindchen, wenn Sie es doch waren, die den armen Jungen gefunden hat. Kommen Sie herein. Sie entschuldigen mein Neglischee, ja. Wenn ich nicht immerzu auf den Beinen bin und dem Mädchen auf die Finger gucke, weiß ich nicht, wo wir noch mal landen. Ich hab gar keine Zeit, mich morgens groß aufzumachen. Wie lange möchten Sie das Zimmer haben?«
    »Das weiß ich noch nicht. Es kommt darauf an, wann die Voruntersuchung stattfindet.«
    »Ach so, ja – und zuerst müssen sie ihn finden, den armen Kerl, nicht? Wissen Sie, ich hab ja so ein weiches Herz, ich kann schon nachts nicht mehr schlafen, wenn ich mir nur vorstelle, wie er da draußen in diesem gräßlichen Wasser herumschwimmt. Geben Sie auf den Kohleeimer acht, Kindchen; wie oft hab ich dem Mädchen schon gesagt, es soll ihn nicht auf der Treppe stehenlassen! Es ist ein schönes Zimmer im ersten Stock – wirklich das schönste im ganzen Haus, und das Bett werden Sie auch sehr bequem finden. Der arme Mr. Alexis hat immer zu mir gesagt, es ist ihm ein richtiges Zuhause, und ich kann Ihnen sagen, für mich war er wie ein Sohn.«
    Mrs. Lefranc ging voran; die grünen Pantoffeln klappten auf und nieder und ließen die großen Löcher in den Fersen der Strümpfe sehen.
    »Hier, Kindchen!« sagte Mrs. Lefranc, indem sie die

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