Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
Männer der Welt. ›Mama Lefranc‹, hat er gesagt, ›Wenn mein Schiff einläuft, schenke ich Ihnen eine Tiara mit lauter Diamanten und mache Sie zur königlichen Haushälterin.‹ Ach Gott, was haben wir oft darüber gelacht! Nicht daß Sie meinen, es hätte nicht Zeiten gegeben, in denen ich Tiaras und Halsbänder hätte haben können, wenn ich gewollt hätte! Wenn ich Zeit habe, zeige ich Ihnen mal meine Zeitungsausschnitte. ›Lilian, die Feenkönigin‹ haben sie mich immer genannt, als ich noch der Principal Boy in Rosenbaums Pantomime war, obwohl Sie sich das sicher kaum noch vorstellen können, wenn Sie mich jetzt ansehen, Kindchen, weil meine Figur ein bißchen auseinandergegangen ist, das muß ich sagen.«
    Harriet drückte ihre Bewunderung und ihr Mitgefühl aus und brachte Mrs. Lefranc wieder sanft auf die Frage nach den ausländischen Briefen zurück.
    »Also, Kindchen, einer von denen ist erst zwei Tage vor dieser furchtbaren Sache gekommen. Der muß sehr lang gewesen sein, denn er hat sich stundenlang damit eingeschlossen. Sehen wie die Dinge stehen, nannte er das. Also, ich denke mir, da muß was Schlimmes dringestanden haben, obwohl er nichts davon gesagt hat. Aber er war so komisch den ganzen Tag und den nächsten. Es kam einem so vor, als wenn er einen gar nicht hörte oder sah, wenn man mit ihm sprach. Und gelacht hat er – hysterisch würde ich es nennen, wenn er ein Mädchen gewesen wäre. Am Mittwoch abend hat er mir noch einen Kuß gegeben, wie er zu Bett ging. Witze gemacht hat er und ganz verrückt dahergeredet, aber ich hab nicht darauf achtgegeben. Das war so seine Art, wissen Sie. ›Eines schönen Tages‹, hat er gesagt, ›werden Sie sehen, daß ich die Flügel ausbreite und wegfliege!‹ Und ich hab mir nichts dabei gedacht – mein Gott, der arme Junge! Jetzt weiß ich, daß er es mir auf diese Art beibringen wollte. Die ganze Nacht hab ich ihn in seinem Zimmer rumoren hören. Seine Papiere hat er verbrannt, der arme Kerl. Er hatte eine furchtbare Enttäuschung erlebt und wollte nicht, daß einer davon erfährt. Und am Morgen hat er mir mein Geld für die Woche gegeben. ›Ich weiß, daß es noch ein bißchen früh ist‹, hat er gesagt – denn es war ja erst am Samstag fällig, ›aber wenn ich es Ihnen jetzt gebe, ist es gut aufgehoben‹, hat er gemeint. ›Wenn ich es mitnehme, gebe ich es am Ende noch aus.‹ Natürlich weiß ich jetzt, was er vorhatte, der arme Junge. Er wußte, daß er Schluß machen würde, und wollte nicht, daß ich darunter leiden sollte; er war immer so rücksichtsvoll. Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, daß ein einziges Wort ihn hätte retten können –«
    Mrs. Lefranc brach in Tränen aus.
    »Ich hab gedacht, er muß plötzlich verreisen, um sich um seine Spekulationen zu kümmern, aber er hat gar nichts eingepackt, und da hab ich mir das wieder aus dem Kopf geschlagen. Und was er dann gemacht hat – wie hätte ich das denn ahnen können? Er schien so richtig in bester Laune. Aber bitte! Ich hätte vielleicht etwas ahnen können, wenn ich nicht so viele andere Sachen im Kopf gehabt hätte – aber nun hatte gerade an diesem Morgen das Mädchen gekündigt und dies und jenes, und da hab ich nicht weiter darauf geachtet. Aber sie sind ja oft zuletzt so gut gelaunt, bevor sie sich was antun. Der arme Billy Carnaby – der war genauso. Hat an seinem letzten Abend noch mit dem ganzen Ensemble gefeiert, mit Sekt und Austern, von seinem letzten Penny, und er war so lustig, daß wir uns alle halbtot gelacht haben – und dann ist er hingegangen und hat sich auf der Herrentoilette erschossen.«
    Mrs. Lefranc weinte ein paar Minuten lang bitterlich.
    »Aber so ist das«, sagte sie dann, indem sie sich wieder zusammenriß und sich die Nase schneuzte. »Das Leben ist schon komisch, da weiß man nie, wie’s kommt. Wir wollen glücklich sein, solange es geht. Über kurz oder lang haben wir alle einen weißen Stein über uns, da spielt es doch keine Rolle, wie oder wann. Ab wann wollten Sie das Zimmer nehmen, Kindchen?«
    »Ich ziehe heute abend ein«, sagte Harriet. »Ich weiß noch nicht, ob ich hier essen werde oder nicht, aber wenn ich meinen Koffer hier lasse und Ihnen die zwölf Shilling für das Zimmer im voraus bezahle, ist doch alles klar, oder?«
    »Natürlich, Kindchen«, sagte Mrs. Lefranc, offenbar angenehm berührt. »Kommen Sie einfach, wann Sie wollen, und Sie werden sich bei Mama Lefranc schon wohlfühlen. Sie denken jetzt sicher, ich hab schon

Weitere Kostenlose Bücher