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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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so gar nicht zu alledem paßte, was sie bisher über Paul Alexis gehört hatte, sie überhörte den Hinweis nicht.
    »Wie wär’s denn zum Beispiel jetzt mit einem Schlückchen?« meinte sie.
    »Na, wissen Sie«, sagte Mrs. Lefranc, »ich wollte nicht – na ja! Es ist ja unendlich lieb von Ihnen, Kindchen, aber um diese Tageszeit würde ich noch gar nichts hinunterbekommen. Ich meine, im Drachen um die Ecke gibt’s natürlich immer was, und das ist sehr praktisch, und sicher könnte ein Tropfen Gin nach dem Essen nicht schaden.«
    Harriet bot all ihre Energie auf, um Mrs. Lefrancs Widerstand zu brechen, und bald beugte diese den Kopf übers Treppengeländer und rief dem »Mädchen« zu, es solle schnell mal in den Drachen laufen und ein geeignetes Quantum Gin holen.
    »Die kennen mich«, fügte sie augenzwinkernd hinzu. »Und von wegen dieser ganzen Gesetze über Flaschen und halbe Flaschen – wenn die einen nicht kennten, würden sie einen einsperren, bevor man wüßte, wie einem geschieht. Man denkt, die wollen die Leute durch Parlamentsbeschluß zu Trinkern machen, nicht? Da kommt eins zum andern, und überall steckt die Polizei ihre Nase rein und stellt Fragen – als wenn mein Haus nicht immer so anständig geführt würde wie dem Erzbischof von Canterbury seins – und das wissen die ja auch, denn ich bin schon zwanzig Jahre hier, und es hat noch nie Klagen gegeben – es ist nicht leicht für eine anständige Frau, heutzutage den Kopf über Wasser zu halten. Und eins kann ich Ihnen sagen – ich hab noch nie einem Vorschriften gemacht. Mein Haus ist für alle ein Zuhause, das werden Sie auch bald merken, Kindchen.«
    Unter der Wirkung des mit Wasser verdünnten Gins taute Mrs. Lefranc immer mehr auf. Über die Komplikationen mit Leila Garland hatte sie ihre eigene Version.
    »Was zwischen den beiden vielleicht war«, bemerkte sie, »könnte ich Ihnen nicht sagen, Kindchen. Das geht mich nichts an, solange meine Gäste sich ruhig verhalten. Ich sage immer zu meinen Mädchen: ›Ich habe nichts dagegen, wenn Damen Herrenbesuch empfangen und umgekehrt, solange es nur keine Scherereien gibt. Wir waren ja alle mal jung‹, sag ich, ›aber Sie denken bitte daran, daß wir hier keine Scherereien brauchen können.‹ So sag ich’s, und bisher hat es in diesem Haus auch noch nicht die allerkleinsten Scherereien gegeben. Aber ich muß schon sagen, leid hat es mir nicht getan, als diese kleine Katze sich davongeschlichen hat. O nein, überhaupt nicht. Und diesen öligen Typen, den sie jetzt hat, den konnte ich schon gar nicht verputzen. Hoffentlich nimmt sie ihn aus wie eine Weihnachtsgans. Die konnte ja nicht genug kriegen. Sicher, sie war immer nett zu mir und hat mir auch immer ein Sträußchen Blumen oder ein Geschenk mitgebracht, wenn Sie Mr. Alexis besuchen kam, aber woher das Geld kam, hab ich lieber nicht gefragt. Aber als der arme Mr. Alexis mir sagte, daß sie jetzt mit diesem da Soto ging, hab ich nur gesagt: ›Sie können sich freuen, daß Sie die los sind‹, hab ich gesagt, und wenn Sie mich fragen, das wußte er auch selber ganz genau.«
    »Sie glauben also nicht, daß er sich ihretwegen umgebracht hat?«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte Mrs. Lefranc. »Und ich kann Ihnen sagen, ich hab mir schon oft genug den Kopf darüber zerbrochen, warum er es wohl getan hat. Es war nicht wegen der alten Frau, mit der er verlobt war – das weiß ich. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen, Kindchen, er hat sowieso nie damit gerechnet, daß daraus was wird. Natürlich muß ein junger Mann in seiner Position die Damen bei Laune halten, aber ihre Familie hätte das nie geduldet. Mr. Alexis hat mir praktisch gesagt, daß daraus nie was würde – und gar nicht mal so lange ist das her. ›Passen Sie mal auf, Mama Lefranc‹, hat er erst Sonntag vor einer Woche zu mir gesagt, ›eines Tages finde ich noch etwas viel Besseres.‹ – ›Na klar‹, hab ich gesagt, ›da heiraten Sie die Prinzessin von China, wie Aladin in der Pantomime.‹ Nein, ich hab wirklich hin und her überlegt, und ich sage Ihnen, was ich glaube. Ich glaube, daß seine Spekulationen schiefgegangen sind.«
    »Spekulationen?«
    »Ja – diese Spekulationen von ihm, irgendwo im Ausland. Die Briefe, die er immer kriegte! Mit lauter ausländischen Marken drauf und die Adresse in so einer komischen Handschrift. Ich hab ihn damit immer aufgezogen. Berichte wären das, hat er gesagt, und wenn sie gut ausfielen, wäre er demnächst einer der größten

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