Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Willis bejahte das kühn und gab seinen Namen als William Brown an, was ihm eine ebenso geniale wie plausible Erfindung zu sein schien. Offenbar wimmelte es in diesem Club von William Browns, denn der Diener machte keine Umstände, und Willis wurde geradewegs in einen schön möblierten Raum geleitet. Unmittelbar vor ihm, am äußeren Rand einer cocktailtrinkenden Menschenansammlung, stand Bredon in dem schwarzweißen Harlekinkostüm, mit dem er schon aufgefallen war, als er nach dem Essen in seinen Wagen stieg. Neben ihm stand Pamela Dean in einem Federkostüm, das eine Puderquaste darstellte. Aus dem Raum dahinter drangen vereinzelte Töne eines Saxophons.
«Dieses Haus», sagte Mr. Willis bei sich, «ist eine Höhle des Lasters.» Und diesmal hatte Mr. Willis nicht ganz unrecht.
Was ihn hier nur erstaunte war die Laschheit der Organisation. Ohne Fragen oder Zögern wurde ihm jede Tür geöffnet. Es wurde gespielt. Der Alkohol floß in Strömen. Man tanzte. Auch was Mr. Willis unter der Bezeichnung «Orgien» geschildert bekommen hatte, fehlte nicht. Und hinter allem spürte er noch etwas, was er aber nicht ganz verstand. Er wurde nicht direkt davon ausgeschlossen, aber irgendwie hatte er einfach nicht den Schlüssel dazu.
Natürlich war er ohne Partnerin, aber schon bald fand er sich von einer Gruppe übertrieben ausgelassener junger Menschen aufgesogen und durfte den Verrenkungen einer «Tänzerin» zusehen, deren Splitternacktheit durch den Zylinder, das Monokel und die Lacklederstiefel, die sie trug, noch betont und gesteigert wurde. Er bekam zu trin ken – manchmal bezahlte er dafür, aber das meiste bekam er einfach in die Hand gedrückt, und plötzlich wurde er sich bewußt, daß er sicher einen besseren Detektiv abgegeben hätte, wenn er das Durcheinandertrinken mehr gewöhnt gewesen wäre. In seinem Kopf begann es zu hämmern, und er hatte Bredon und Pamela aus den Augen verloren. Er wurde geradezu besessen von der Idee, daß sie sich in eine dieser dunklen kleinen Nischen zurückgezogen hatten, die er gesehen hatte – verhängt mit schweren Vorhängen und mit je einer Couch und einem Spiegel bestückt. Er riß sich von der ihn umgebenden Gruppe los und hastete suchend durchs Haus. Sein Kostüm war heiß und schwer, und unter den erstickenden schwarzen Falten seiner Kapuze lief ihm der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Er kam in einen Wintergarten voll liebestoller, betrunkener Pärchen, aber das Paar, das er suchte, war nicht dabei. Er stieß eine Tür auf und fand sich im Garten wieder. Ein Kreischen und Plätschern lockte ihn an. Er stürzte einen nach Rosen duftenden Laubengang entlang und kam auf einen freien Platz mit einem runden Bassin in der Mitte.
Ein Mann mit einem Mädchen in den Armen torkelte an ihm vorbei, erhitzt und glucksend vor Lachen, seinen Leopardenfellumhang halb von der Schulter gerissen, mit Weinlaub im Haar, das beim Laufen hinter ihm her wehte. Das Mädchen kreischte wie eine Dampfmaschine. Der Mann war breitschultrig, und seine Rückenmuskeln glänzten im Mondlicht, als er seine zappelnde Bürde einmal um sich schwenkte und mit Kostüm und allem ins Wasser schleuderte. Gellendes Gelächter belohnte sein Tun und hob von neuem an, als das Mädchen, zerzaust und tropfnaß, über dem Rand des Wasserbeckens auftauchte und eine Schimpfkanonade losließ. Dann sah Willis den schwarz-weißen Harlekin.
Der Harlekin kletterte an der Gruppe in der Mitte des Bassins hinauf – einem kunstvollen Gebilde aus ineinander verschlungenen Meerjungfern und Delphinen, die ein weiteres Bassin trugen, in dem eine Amorette kauerte und aus einer Muschel eine tanzende Fontäne hoch in die Luft spritzte. Immer höher hinauf stieg die schlanke, schwarzweiß gewürfelte Gestalt, tropfend und glitzernd wie ein dem Meer entstiegenes Fabelwesen. Er faßte mit den Händen über den Rand des oberen Beckens, ließ sich ein paarmal hin und her schwingen und zog sich hinauf. Selbst in diesem Augenblick fühlte Willis einen Stich widerstrebender Bewunderung. Es waren die leichten, schnörkellosen Bewegungen eines Turners, ein Schauspiel von Muskelkraft, gleitend und mühelos. Dann hatte er sein Knie auf dem Beckenrand. Ein letzter Schwung, und oben war er und kletterte weiter an der bronzenen Amorette hinauf. Augenblicke später kniete er auf den gebeugten Schultern der Figur – richtete sich auf und stand kerzengerade inmitten der glitzernden Gischt der Fontäne.
«Mein Gott», dachte Willis. «Der Mann
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