Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
nicht sein«, wandte Mr. Egg ein. »Nichts für ungut, Sir, aber ein Journalist hätte sich auf jeden Fall für Mr. Redwoods synthetischen Alkohol interessiert. Ich glaube, wenn man es von mir verlangte, könnte ich Ihren Beruf beim Namen nennen. Jeder Mensch trägt die Kennzeichen seines Gewerbes mit sich herum, auch wenn sie nicht immer so augenfällig sind wie Mr. Redwoods oder mein Musterkoffer. Nehmen wir zum Beispiel Bücher. Einen gelehrten Herrn erkenne ich immer gleich an der Art, wie er ein Buch öffnet. Es liegt ihm sozusagen im Blut. Oder nehmen wir Flaschen. Ich habe eine bestimmte Art, damit umzugehen – es ist mein Beruf. Ein Arzt oder Apotheker macht das ganz anders. Zum Beispiel diese Parfümflasche. Wenn Sie oder ich den Stöpsel aus der Flasche nehmen sollten, wie würden wir das machen? Wie würden Sie es machen, Mr. Redwood?«
»Ich?« fragte Mr. Redwood. »Also, hol’s der Kuckuck! Auf ›eins‹ würde ich mit Daumen und zwei Fingern der rechten Hand nach dem Stöpsel greifen, auf ›zwei‹ würde ich sie mitsamt Stöpsel ruckartig hochziehen, wobei ich für alle Fälle die Flasche mit der linken Hand festhalten würde. Was würden Sie denn machen?« wandte er sich an den Mann im Regenmantel.
»Dasselbe wie Sie«, sagte der Angesprochene und ließ den Worten die Tat folgen. »Da sehe ich keine Schwierigkeiten. Ich kenne nur eine Art, einen Stöpsel herauszunehmen, nämlich ihn herauszunehmen. Was erwarten Sie sonst von mir? Daß ich ihn rauspfeife?«
»Aber dieser Herr hat trotzdem recht«, warf der Unfreundliche ein. »Sie machen es auf diese Weise, weil Sie es nicht gewöhnt sind, mit der einen Hand zu gießen und abzumessen, während die andere Hand beschäftigt ist. Aber ein Arzt oder Apotheker zieht den Stöpsel mit dem kleinen Finger heraus, so, und hebt die Flasche mit derselben Hand hoch, wobei er das Meßgefäß in der andern hält
– so – und wenn er –«
»He, Beeton!« rief Mr. Egg mit schriller Stimme. »Aufgepaßt!«
Die Flasche entglitt der Hand des Unfreundlichen und zerschellte an der Tischkante, als der Mann im Regenmantel aufsprang. Ein betäubender Veilchenduft erfüllte den Raum. Der Sergeant machte einen Satz – der Kampf war heftig, aber kurz. Das Mädchen kreischte auf. Der Wirt kam aus der Bar herbeigeeilt, und hinter ihm drein stürmte ein Haufen Männer und blockierte die Tür.
»So«, sagte der Sergeant, als er ein wenig atemlos aus dem Handgemenge auftauchte, »Sie kommen am besten ganz ruhig mit. Moment noch! Muß Sie ja noch belehren. Gerald Beeton, ich verhafte Sie wegen Mordes an Alice Steward – können Sie nicht mal stillhalten? – und belehre Sie, daß alles, was Sie sagen, festgehalten und vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann. Danke, Sir. Wenn Sie mir mal eben helfen könnten, ihn zur Tür zu bringen – ein Stückchen weiter oben an der Straße sitzt ein Kollege von mir in einem Streifenwagen.«
Ein paar Minuten später kam Sergeant Jukes zurück und zwängte sich in seinen Mantel. Er wurde von seinen Amateurgehilfen begleitet, und ihre Gesichter strahlten, als hätten sie ihre gute Tat für den Tag vollbracht.
»Das war ja ein sehr schlauer Trick von Ihnen, Sir«, sagte der Sergeant zu Mr. Egg, der dem jungen Mädchen gerade ein Schnäpschen zur Stärkung einflößte, während Mr. Redwood und der Wirt mit vereinten Kräften dem parmaveilchengetränkten Teppich zu Leibe rückten. »Puh! Riecht ein bißchen stark, was? Wie im Friseursalon. Wir waren benachrichtigt worden, daß er in dieser Gegend erwartet wurde, und ich hatte so eine Ahnung, daß einer von Ihnen, meine Herren, es sein könnte, aber ich wußte nicht wer. Daß Mr. Bunce sagte, Beeton sei Apotheker gewesen, war eine große Hilfe; und Sie, Sir, ich muß sagen, da haben Sie einen Glückstreffer gelandet.«
»Keineswegs«, sagte Mr. Egg. »Mir war aufgefallen, wie er beim erstenmal den Stöpsel herausnahm – daran sah man, daß er an Laborarbeit gewöhnt war. Das hätte natürlich Zufall sein können, aber als er dann hinterher so tat, als wüßte er nicht, wie man das richtig macht, hielt ich die Zeit für gekommen, mal zu sehen, wie er auf seinen Namen reagieren würde.«
»Ein guter Trick«, sagte der Unfreundliche freundlich.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ihn irgendwann verwende?«
»Ah!« meinte Sergeant Jukes. »Sie haben mir ja einen schönen Schrecken eingejagt, Sir, mit diesen Natursteinplatten. Was hatten Sie denn nun eigentlich –«
»Berufliche
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