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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Pinchbeck und dem Angeklagten habe sie nichts gemerkt, doch sie habe gefunden, daß der alte Mann nicht eben bester Laune gewesen sei. »Er wirkte schon ein bißchen verstimmt.«
    Dann trat ein weiterer Zeuge aus Hatchford Mill auf, der sagte, er habe ein Auto mit starkem Motor kurz vor halb zehn sehr schnell an der Mühle vorbeifahren hören. Er sei nach draußen geeilt, um es zu sehen, denn schnelle Wagen auf dem Feldweg seien eine Seltenheit, aber wegen der Bäume, die an der Ecke hinter der Mühle den Weg säumten, habe er nichts mehr gesehen.
    Hier nun trug die Polizei eine Aussage vor, die der Angeklagte bei seiner Festnahme gemacht hatte. Er habe gesagt, daß er der Neffe des Verstorbenen sei, und ehrlich zugegeben, daß er die Nacht im Cottage verbracht habe. Der Verstorbene sei offenbar erfreut gewesen, ihn zu sehen, da sie sich längere Zeit nicht mehr gesehen hätten. Als der Verstorbene gehört habe, daß sein Neffe ziemlich »abgebrannt« sei, habe er ihm Vorhaltungen gemacht, daß er einem so schlecht bezahlten Beruf wie der Schriftstellern nachgehe, dann aber habe er ihm freundlicherweise ein kleines Darlehen angeboten, das er, der Angeklagte, dankbar angenommen habe. Mr. Pinchbeck habe die Kassette in seinem Schlafzimmer aufgeschlossen und etliche Banknoten herausgenommen, von denen er ihm »zehn Fünfer« gegeben habe, nicht ohne ihm dabei einen Vortrag über Fleiß und Sparsamkeit zu halten. Das sei etwa um 9.45 Uhr oder etwas früher gewesen – jedenfalls nachdem Mrs. Chapman das Anwesen längst verlassen hatte. Die Kassette sei allem Anschein nach voller Geldscheine und Wertpapiere gewesen, und Mr. Pinchbeck habe sein Mißtrauen gegen Mrs. Chapman und Händler im allgemeinen zum Ausdruck gebracht. (Hier ließ sich Mrs. Chapman mit empörtem Protest vernehmen und mußte vom Vorsitzenden beruhigt werden.) In der Aussage hieß es dann weiter, er, der Angeklagte, habe keinerlei Streit mit seinem Onkel gehabt, und er habe das Cottage, soweit er sich erinnere, gegen zehn Uhr verlassen und sei über Ditchley und Frogthorpe nach Beachampton weitergefahren. Dort habe er den Wagen einem Freund zurückgegeben, dem er gehöre, dann habe er sich ein Motorboot gemietet und sei für vierzehn Tage in die Bretagne gefahren. Dort habe er vom Tod seines Onkels nichts gehört, bis Kriminalinspektor Ramage gekommen sei und ihn von dem Verdacht gegen ihn in Kenntnis gesetzt habe. Natürlich sei er auf der Stelle zurückgekommen, um seine Unschuld zu beweisen.
    Nach der Theorie der Polizei hatte Barton, sowie der letzte Händler aus dem Haus war, den alten Mann umgebracht, ihm den Schlüssel entwendet, das Geld gestohlen und sich dann in dem Glauben davongemacht, daß die Leiche erst am Montagmorgen, wenn Mrs. Chapman kam, gefunden würde.
    Während Theodore Bartons Anwalt Inspektor Ramage das Zugeständnis abrang, daß man bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Verhaftung lediglich sechs Fünfpfundnoten der Bank von England sowie für ein paar Shilling französisches Geld gefunden habe, hörte Mr. Egg in seinem Rücken ein schweres, aufgeregtes Schnaufen, und als er sich umdrehte, sah er in das Gesicht einer älteren Frau, deren vorstehende Augen ihr vor Erregung geradezu aus dem Kopf zu springen schienen.
    »Ach Gott!« sagte die Frau, wobei sie unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. »Ach Gott!«
    »Verzeihung«, sagte Mr. Egg, stets die Höflichkeit
    selbst, »sitze ich Ihnen im Weg oder was?«
    »Oh, o nein, danke! Aber – sagen Sie mir doch bitte, was
    ich tun soll! Ich müßte denen da vorn etwas sagen. Der
    arme Mann! Er ist nämlich überhaupt nicht schuldig. Ich
    weiß es. Bitte, sagen Sie mir, was ich tun soll! Muß ich zur Polizei gehen? Ach Gott, ach Gott! Ich dachte – ich wußte nicht – ich war noch nie bei so etwas! Und ich weiß, daß sie ihn sicher schuldig sprechen werden. Bitte, bitte, ver
    hindern Sie das!«
    »Vor diesem Gericht kann niemand schuldig gesprochen werden«, tröstete Monty sie. »Er wird von hier aus höchstens vor ein Schwurgericht gestellt –«
    »Oh, aber das darf nicht sein! Er war’s doch nicht. Er war gar nicht da. Bitte, bitte, tun Sie doch etwas.«
    Es schien ihr derart ernst zu sein, daß Mr. Egg sich leise räusperte, seine Krawatte zurechtzupfte, sich kühn erhob und mit Stentorstimme rief: »Euer Ehren!«
    Der Richter starrte ihn an. Der Anwalt starrte ihn an. Der Angeklagte starrte ihn an. Alle starrten ihn an.
    »Hier ist eine Dame im Saal«, verkündete

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