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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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er selbst. Dabei empfand er ihm gegenüber eine Art ehrerbietiger Scheu, fast wie vor einem zerbrechlichen antiken Gegenstand.
    »Von allem, was ihnen am Herzen liegt«, sagte Mr. Thorpe. Ein wahrer Ritter! Bei aller tiefen Mißbilligung glaubte er seine Nichte doch gegen jede Kritik in Schutz nehmen zu müssen. »Aber ich nehme sie jetzt mit mir, damit sie ein wenig Ruhe und Frieden hat«, fuhr er fort. »Ihre Tante konnte leider nicht mit nach Fenchurch kommen – ihre Arthritis macht ihr so zu schaffen –, aber sie freut sich schon auf Hilary.«
    Wimsey warf einen kurzen Blick in Hilarys verdrossenes Gesicht, in dem sich Rebellion ankündigte; er konnte sich genau den Typ Frau vorstellen, den Onkel Edward heiraten würde.
    »Genauer gesagt, wir fahren schon morgen«, sagte Mr. Thorpe. »Bedaure, daß wir Sie nicht zum Dinner bitten können, aber unter den Umständen –«
    »Ich bitte Sie«, sagte Wimsey.
    »Das hieße dann also guten Tag und auf Wiedersehen«, fuhr Mr. Thorpe entschieden fort. »Es war schön, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich wünschte nur, es wäre unter erfreulicheren Umständen geschehen. Na ja – einen schönen Tag noch. Und grüßen Sie bitte Ihren Herrn Bruder, wenn Sie ihn sehen.«

    »Abgeblitzt!« sagte Wimsey, nachdem er Onkel Edward die Hand gegeben und Hilary Thorpe ein verständnisinniges Lä cheln zugeworfen hatte. »Warum nur? Verderbe ich die Moral der Jugend? Oder lege ich beim Ausbuddeln der Familiengeheimnisse zuviel Eifer an den Tag? Ist Onkel Edward ein falscher Vogel oder ein schlichter Esel? War er auf der Hochzeit seines Bruders? Muß Blundell mal fragen. Wo ist Blundell? Ob er heute abend Zeit hat?«
    Er eilte, um den Polizeidirektor noch einzuholen, der pflichtgetreu dem Begräbnis beigewohnt hatte, und verabredete sich mit ihm nach dem Abendessen in Leamholt. Nach und nach verlief sich die Trauergemeinde. Mr. Gotobed und sein Sohn Dick zogen ihre amtlichen »Schwarzen« aus und ergriffen die Spaten, die bei dem zugedeckten Brunnen an der Mauer lehnten.
    Während die Erde schwer auf den Sargdeckel polterte, trat Wimsey zu der kleinen Gruppe, die sich zusammengefunden hatte, um über die Begräbnisfeier zu diskutieren und die Kärtchen an den Kränzen zu lesen. Er bückte sich nichtsahnend, um einen besonders schönen, exotischen Blumengruß aus rosa und roten Treibhausblüten zu betrachten, und wunderte sich, wer für das unbekannte Opfer so tief in die Tasche gegriffen haben mochte, als er mit einem gelinden Schock auf der beigefügten Visitenkarte las: »Mit tiefer Anteilnahme, Lord Peter Wimsey. Lukas 12,6.«
    »Sehr zutreffend«, sagte Seine Lordschaft, als er den Spruch nach kurzem Nachdenken identifizierte (denn er hatte eine exquisite Erziehung genossen). »Bunter, Sie sind der Größte.«

    »Worüber ich wirklich gern Bescheid wüßte«, sagte Lord Peter, die Beine bequem an des Polizeidirektors Kamin ausgestreckt, »das ist die Beziehung zwischen Deacon und Cranton. Wie haben sie sich kennengelernt? Daran hängt so manches andere.«
    »Allerdings«, bestätigte Mr. Blundell. »Die Sache ist nur, wir müssen uns dabei auf ihre eigenen Aussagen stützen, und wer von beiden der größere Lügner ist, weiß der Himmel allein, wenn auch Richter Bramhill die Frage schon zu entscheiden versucht hat. Fest steht lediglich, daß sie sich bereits in London gekannt haben. Cranton war einer von diesen glattzüngigen Edelganoven, die man gern in zweifelhaften Lokalen trifft – Sie kennen den Typ. Er war schon früher mit dem Gesetz in Konflikt geraten, spielte aber den geläuterten Charakter und hat ein ganz schönes Sümmchen an einem Buch verdient. Ich nehme zwar an, daß jemand anders es für ihn geschrieben hat, aber sein Name stand nun mal drauf und so weiter. Von der Sorte haben wir nach dem Krieg ja einige gehabt, aber dieser Cranton war wirklich nicht dumm – ein bißchen seiner Zeit voraus, könnte man sagen. 1914 war er fünfunddreißig; mit seiner Schulbildung war es nicht weit her, aber er war von Natur aus recht gewitzt, und hinzu kam, daß er immer auf sich allein angewiesen war – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Durchaus. Er hat also die Universität des Lebens absolviert.«
    »Sehr schön gesagt«, quittierte Mr. Blundell den Gemeinplatz als Geistesblitz. »Wirklich, sehr gut gesagt. Ja – das trifft genau auf ihn zu. Aber dieser Deacon, der war nun völlig anders. Eine echte Begabung und ein großer Leser vor dem Herrn. Der Gefängnispfarrer

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