Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
eingeladen hätte, wäre sie beleidigt gewesen, und – na ja, man soll reiche Verwandte nicht unbedingt vor den Kopf stoßen.«
Lord Peter füllte nachdenklich seinen Bierkrug und meinte:
»Um keinen Preis!«
»Also, dann«, nahm der Polizeidirektor den Faden wieder auf. »Und nun kommt der Punkt, den Deacon und Cranton wiederum verschieden schildern. Laut Deacon hat er, kaum daß der Hochzeitstermin bekanntgegeben war, von Cranton einen Brief mit der Aufforderung erhalten, sich mit ihm in Leamholt zu treffen, um zu besprechen, wie sie an die Smaragde herankommen könnten. Laut Cranton hat Deacon ihm geschrieben. Beweisen konnte natürlich keiner seine Version, also konnte man sich's wieder aussuchen. Aber nachgewiesen wurde, daß sie sich tatsächlich in Leamholt getroffen haben und Cranton noch am selben Tag gekommen ist, um sich das Haus anzusehen.
Schön. Nun hatte Mrs. Wilbraham eine Zofe, und wenn nicht diese Zofe und Mary Thoday gewesen wären, hätte das Ganze sowieso nicht geklappt. Sie wissen, daß Mary Thoday damals noch Mary Deacon hieß. Sie war Stubenmädchen im Roten Haus und hatte Deacon gegen Ende 1913 geheiratet. Sir Charles war sehr nett zu dem jungen Paar. Er hat ihnen ein hübsches Zimmer für sich allein gegeben, abgesetzt vom übrigen Personal, über einer kleinen Treppe, die neben dem Anrichteraum nach oben führt, so daß sie praktisch eine kleine Privatwohnung für sich hatten. Natürlich befand sich das ganze Tafelgeschirr und Silber in diesem Anrichteraum, und zu Deacons Aufgaben gehörte es, ein Auge darauf zu haben.
Nun war Mrs. Wilbrahams Zofe – Elsie Bryant hieß sie – ein fixes und intelligentes Mädchen, immer gut aufgelegt und voller Späße, und eines Tages hatte sie herausgekriegt, was Mrs. Wilbraham mit ihrem Schmuck machte, wenn sie von zu Hause fort war. Die alte Dame wollte anscheinend ganz besonders schlau sein. Sie muß zu viele Detektivgeschichten gelesen haben, wenn Sie mich fragen, jedenfalls hatte sie sich's in den Kopf gesetzt, der beste Platz zur Aufbewahrung von Wertsachen sei nicht etwa ein Schmuckkästchen oder eine Kassette oder dergleichen, wonach ein Dieb als erstes suchen würde, sondern irgend etwas, wohin keiner schauen würde, und – um es kurz zu machen, das Versteck, das sie sich ausgedacht hatte, war – wenn Sie mir die Erwähnung gestatten – unter einem bestimmten Schlafzimmerutensil. Lachen Sie nur – bei Gericht haben auch alle gelacht, außer dem Richter, der in dem Augenblick gerade einen Hustenanfall hatte und sich ein Taschentuch vors Gesicht hielt, so daß niemand sehen konnte, wie er es aufnahm. Also, diese Elsie war jedenfalls eine neugierige Person, wie Mädchen nun einmal sind, und eines Tages – ganz kurz vor der Hochzeit war das – hat sie wohl mal durchs Schlüsselloch gelauert oder so was und die alte Dame dabei erwischt, wie sie gerade den Schmuck wegtat. Natürlich konnte sie so etwas nicht für sich behalten, und als sie mit ihrer Herrin nach Fenchurch kam – das war ein paar Tage vor der Hochzeit –, hat sie als erstes eine dicke Freundschaft mit Mary Deacon (wie sie damals hieß) angefangen, und zwar, wie ich glaube, zu dem einzigen Zweck, ihr das Geheimnis anzuvertrauen. Und Mary als brave Ehefrau hat es natürlich ihrem Mann weitererzählen müssen. Ich finde das ganz normal. Jedenfalls hat der Verteidiger diesen Punkt groß herausgestellt, und man kann mit Sicherheit annehmen, daß dieses Utensil Elsie und Mary vor dem Kittchen bewahrt hat. ›Meine Herren‹, hat er in seinem Plädoyer gesagt, ›ich sehe Sie alle über Mrs. Wilbrahams Schmuckdepot lächeln, und sicher malen Sie sich schon aus, wie Sie die Geschichte Ihren Frauen erzählen, wenn Sie nach Hause kommen. Und da dies so ist, werden Sie gewiß meine Mandantin, Mary Deacon, und ihre Freundin sehr gut verstehen können und ihr nachfühlen, wie sie – in aller Unschuld – das Geheimnis dem einen Mann anvertraut hat, von dem sie erwarten konnte, daß er es für sich behalten würde.‹ Er war ein gerissener Anwalt, dem die Geschworenen förmlich aus der Hand fraßen, nachdem er fertig war.
Von hier an müssen wir jetzt wieder raten. Es ist ein Telegramm von Leamholt aus an Cranton geschickt worden – daran kann es keinen Zweifel geben, denn wir haben seinen Weg verfolgt. Er sagt, Deacon habe es ihm geschickt, aber Deacon sagt, wenn einer es geschickt hat, kann es nur Elsie Bryant gewesen sein. Sie und Deacon waren an diesem Nachmittag beide in
Weitere Kostenlose Bücher