Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
nicht viel zu drohen. Eine richterliche Verfügung, und damit hat sich's. Aber ich will's versuchen. Und dann hätten wir noch –«
»Ja, ich weiß. Will Thoday.«
»Ach ja! … aber wenn Miss Thorpe recht hat, ist er aus dem Schneider. Er hat von Silvester bis zum 14. Januar im Bett gelegen. Das weiß ich mit Bestimmtheit. Aber einer im Haus kann vielleicht etwas bemerkt haben. Wird trotzdem ein hartes Stück Arbeit sein, etwas aus ihnen herauszubringen. Sie haben einmal einen Vorgeschmack von einer Gerichtsverhandlung bekommen und werden schon zu Tode erschrecken, wenn sie mich nur sehen.«
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Noch mehr Angst, als sie schon haben, können Sie denen gar nicht machen. Lesen Sie ihnen nur mal die Totenliturgie vor und schauen Sie, was sie dabei für Gesichter machen.«
»Oho!« machte der Polizeidirektor. »Die Religion ist nicht ganz mein Fach, außer sonntags. Aber gut – den Teil übernehme ich. Vielleicht, wenn ich das vermaledeite Halsband gar nicht erwähne … aber das Ding schwirrt mir so im Kopf herum, daß ich schon Glück haben muß, wenn mir nichts davon herausrutschen soll.«
Womit bewiesen wäre, daß Polizeibeamte, wie alle andern Menschen, auch nur Sklaven ihres Unterbewußtseins sind.
Vierter Teil
Lord Peter macht einen Seitensprung und
zieht an Mr. Blundell vorbei
Der » Seitensprung« ist ein Schritt entgegen dem normalen Lauf beim einfachen Jagen … Man sieht die eine Glocke abwechselnd mit einem Seitensprung der andern ausweichen und an ihr vorbeiziehen.
Troyte
»Also, Madam«, sagte Polizeidirektor Blundell.
»Nun, Herr Polizist?« entgegnete Mrs. Gates.
Man sagt (mit welcher Berechtigung, weiß ich nicht), der einfache Polizeibeamte empfinde die Anredeform »Herr Polizist« als höflicher denn »mein guter Mann« oder einfach »Wachtmeister«, während manche Leute, vor allem solche aus der Disraelischen Schule, ein unverdientes »Herr Sergeant« nie fehl am Platz finden. Wenn aber eine feine Dame mit grauem Glacekleid und grauen Glaceaugen zu einem ausgewachsenen Polizeidirektor in Zivil »Herr Polizist« sagt, klingt dies nicht eben schmeichelnd und ist auch nicht so gemeint. Unter diesen Umständen, dachte Mr. Blundell, hätte ich ebensogut einen uniformierten Inspektor schicken können und fertig.
»Wir wären Ihnen sehr verbunden, Madam«, sprach Mr. Blundell jedoch unbeirrt, »wenn Sie uns in dieser kleinen Angelegenheit freundlicherweise helfen könnten.«
»Kleine Angelegenheit?« meinte Mrs. Gates. »Seit wann sind Mord und Grabschändung für Leamholt ›kleine Angelegenheiten‹? Nachdem Sie in den letzten zwanzig Jahren weiter nichts zu tun hatten als am Markttag hin und wieder ein paar betrunkene Arbeiter in Gewahrsam zu nehmen, scheinen Sie dieser neuen Aufgabe doch erstaunlich wenig Gewicht beizumessen. Meiner Ansicht nach sollten Sie hier Scotland Yard einschalten. Aber seit Sie neuerdings von der Aristokratie hofiert werden, halten Sie sich wohl für kompetent, mit Verbrechen jeder Art fertig zu werden, wie?«
»Für die Einschaltung von Scotland Yard bin ich nicht zuständig, Madam. Das ist Sache des Polizeipräsidenten.«
»So?« machte Mrs. Gates, nicht im mindesten beeindruckt. »Warum nimmt dann der Polizeipräsident die Sache nicht selbst in die Hand? Ich hätte lieber mit ihm persönlich zu tun.«
Der Polizeidirektor erklärte geduldig, daß Zeugeneinvernahmen eigentlich nicht Aufgabe eines Polizeipräsidenten seien.
»Und wieso soll ich bitte eine Zeugin sein? Ich weiß nichts über diesen schändlichen Vorgang.«
»Gewiß nicht, Madam. Aber wir brauchen eine kleine Information, die das Grab der seligen Lady Thorpe betrifft, und dachten, eine Dame mit Ihrer Beobachtungsgabe könne uns da vielleicht behilflich sein.«
»In welcher Weise?«
»Nach den uns vorliegenden Informationen, Madam, ist die Schandtat wahrscheinlich sehr kurz nach Lady Thorpes Beerdigung begangen worden. Wie ich höre, haben Sie das Grab nach dem traurigen Ereignis des öfteren besucht –«
»So? Und wer sagt das?«
»Wir sind in diesem Sinne unterrichtet worden, Madam.«
»Mag ja sein. Aber von wem?«
»Solche Fragen stellen gewöhnlich wir, Madam«, sagte Mr. Blundell, dem ein dumpfes Gefühl sagte, daß es hier nicht angebracht sei, Hilary zu erwähnen. »Ich darf also annehmen, daß diese Information richtig ist?«
»Warum sollte sie nicht richtig sein? Es wird doch auch in diesen Zeiten noch erlaubt sein, den Toten Ehre zu
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