Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
erweisen, oder?«
»Sehr richtig bemerkt, Madam. So, und können Sie uns nun sagen, ob Ihnen bei einem Ihrer Besuche vielleicht irgendwelche Veränderungen aufgefallen sind – Kränze verrückt, Erde umgegraben oder dergleichen?«
»Nein«, sagte Mrs. Gates. »Oder meinen Sie etwa das schändliche Betragen dieser ordinären Mrs. Coppins? Als Nonkonformistin hätte ihr eigentlich schon der Anstand verbieten müssen, überhaupt den Friedhof zu betreten. Aber auch noch dieser Kranz – so etwas Geschmackloses! Bitte, sie hätte ja einen schicken können, nachdem sie von Sir Charles' Familie so viele Wohltaten empfangen hatte, aber daß sie so etwas Großes und Protziges anschleppen mußte, war nun wirklich nicht nötig. Rosa Treibhauslilien im Januar waren jedenfalls völlig fehl am Platz. Für eine Person ihres Standes hätte ein Chrysanthemenstrauß als letzter Gruß mehr als genügt, da hätte sie nicht noch mit aller Macht auf sich aufmerksam machen müssen.«
»Ganz recht, Madam«, sagte der Polizeidirektor.
»Daß ich mich hier in abhängiger Stellung befinde«, fuhr Mrs. Gates fort, »heißt noch lange nicht, daß ich mir ein mindestens ebenso großes und teures Gebinde wie das ihre nicht hätte leisten können. Aber obwohl Sir Charles und seine Gemahlin und später auch Sir Henry und die selige Lady Thorpe stets die Güte hatten, mich mehr als Freundin des Hauses und nicht als Bedienstete zu betrachten, weiß ich doch, was meiner Stellung angemessen ist, und ich hätte es mir im Traum nicht einfallen lassen, es mit meinem bescheidenen Gruß in irgendeiner Weise der Familie gleichtun zu wollen.«
»Gewiß nicht, Madam«, pflichtete der Polizeidirektor ihr aus vollem Herzen bei.
»Ich weiß nicht, was Sie mit ›gewiß nicht‹ meinen«, entgegnete Mrs. Gates. »Die Familie selbst hätte bestimmt nichts einzuwenden gehabt, denn ich darf sagen, daß sie mich immer wie eine ihresgleichen behandelt hat, und wo ich hier schon dreißig Jahre den Haushalt führe, ist das ja auch nicht so verwunderlich.«
»Es ist ganz natürlich, Madam. Ich habe auch nur gemeint, daß eine Dame wie Sie gewiß ein gutes Beispiel für Sitte und Anstand setzen würde, nichts weiter. Meine Frau«, log Mr. Blundell mit fester Stimme und treuherzigem Blick, »meine Frau sagt immer zu unsern Töchtern, sie können sich in puncto damenhaftem Benehmen kein besseres Beispiel nehmen als Mrs. Gates vom Roten Haus in Fenchurch. Natürlich –« (da Mrs. Gates ein wenig düpiert dreinblickte) – »würde meine Frau unsere Betty und Ann nie mit Ihnen vergleichen wollen, Madam, wo die eine nur bei der Post arbeitet und die andere im Büro von Mr. Compline, aber es kann jungen Mädchen eben nicht schaden, ein wenig nach oben zu blicken, Madam, und meine Frau sagt immer, wenn sie sich ein Beispiel an Königin Mary nehmen oder – weil sie ja nicht viel Gelegenheit haben, sich am Benehmen Ihrer allergnädigsten Majestät auszurichten – eben an Mrs. Gates vom Roten Haus, werden sie bestimmt einmal ihren Eltern Ehre machen.«
Hier mußte Mr. Blundell – ein überzeugter Disraelianer – husten. Er fand, er habe die Situation recht gut gemeistert, obwohl er im Nachhinein zugeben mußte, daß »Auftreten« ein besserer Ausdruck gewesen wäre als »Benehmen«.
Mrs. Gates' Gesicht entkrampfte sich ein wenig, und der Polizeidirektor sah, daß er von nun an keine Schwierigkeiten mehr mit ihr haben würde. Er stellte sich schon vor, wie er zu Hause von diesem Gespräch berichten würde. Auch Lord Peter würde seinen Spaß daran haben. Seine Lordschaft war überhaupt ein netter Kerl, der einen kleinen Scherz zu würdigen wußte.
»Also, der Kranz, Madam«, soufflierte er.
»Das will ich Ihnen ja gerade erzählen. Es hat mich mit Abscheu erfüllt – jawohl, mit Abscheu, Herr Polizist –, als ich sehen mußte, daß diese Mrs. Coppins die Unverfrorenheit besessen hatte, meinen Kranz wegzunehmen und den ihren an seine Stelle zu legen. Es waren natürlich viele Kränze gekommen bei Lady Thorpes Beerdigung, ein paar wunderschöne darunter, und ich wäre ganz und gar einverstanden gewesen, wenn mein bescheidener Gruß auf dem Dach des Leichenwagens zu liegen gekommen wäre, wie die von den Leuten aus dem Dorf. Aber Miss Thorpe hat davon überhaupt nichts wissen wollen. Miss Thorpe ist immer sehr taktvoll.«
»Eine reizende junge Dame«, sagte Mr. Blundell.
»Sie ist eben eine Thorpe, und die Thorpes haben immer auf die Gefühle andrer Menschen
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