Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
schon nicht an den Adressaten ausliefert, ihn mit der Zeit wenigstens dem Absender wieder zustellt. Eine vergebliche Hoffnung, aber auch hier haben sie wiederum völlig recht. Man sollte jeden Stein probieren und jede Straße umdrehen. Der Engländer in seiner Treuherzigkeit ist es völlig zufrieden, daß unter solchen Umständen die Post sein Siegel erbricht, in seiner Korrespondenz schnüffelt, seine Unterschrift und Adresse aus dem Text zusammenklaubt, einen neuen Umschlag spendiert und das Ganze dem Absender unter einem peinlichen Pseudonym wie ›Gurkenkern‹ oder ›Hundsnase‹ wieder zustellt, sehr zum Amüsement des Postboten. Der Franzose aber, von Natur aus etwas zimperlich, um nicht zu sagen heimlichtuerisch, hält es für besser, seine Privatsphäre zu schützen, indem er das Äußere seiner Sendung mit allen notwendigen Angaben für das ordnungsgemäße Funktionieren dieser Transaktion versieht. Ich will nicht sagen, daß er damit unrecht hat, aber ich fände es noch besser, wenn er den Absender gleich an beide Stellen schriebe. Die Tatsache nun, daß dieser Brief hier keine Absenderadresse trägt, bedeutet vielleicht, daß der Absender nicht eben publizitätssüchtig ist. Und das Teuflische ist, Bunter, daß wahrscheinlich auch drinnen keine Adresse zu finden sein wird. Egal. Dieser Portwein ist ausgezeichnet. Seien Sie so nett und leeren Sie die Flasche, Bunter, denn es wäre schade drum, ihn fortzuschütten, und wenn ich noch mehr davon trinke, bin ich nachher zu schläfrig zum Autofahren.«
Sie nahmen die direkte, dem Fluß folgende Straße von Walbeach zurück nach Fenchurch.
»Wenn dieses Land auf intelligente Weise und an einem Stück entwässert würde«, meinte Wimsey, »indem man alle Kanäle in die Flüsse münden ließe und nicht die Flüsse in die Kanäle, damit sie ordentlich ausgeschwemmt würden, könnte Walbeach noch immer eine Hafenstadt sein, und die Landschaft sähe weniger aus wie eine verunglückte Steppdecke. Aber siebenhundert Jahre Geiz, Schiebung und Trägheit und der ewige Streit zwischen der einen Gemeinde und der andern sowie die falsche Vorstellung, was für Holland gut sei, müsse auch für die Fenmoore gut sein, haben hier ein einziges Schlamassel entstehen lassen. Es erfüllt seinen Zweck, könnte aber sehr viel besser sein. Hier ist die Stelle, wo wir Cranton begegnet sind – falls es Cranton war. Übrigens, ich frage mich, ob dieser Mann an der Schleuse nichts von ihm gesehen hat. Halten wir dort mal an und versuchen ihn auszuhorchen. Ich treibe mich so gern an Schleusen herum.«
Er kurvte den Wagen über die Brücke und hielt unmittelbar neben dem Häuschen des Schleusenwärters an. Der Mann kam heraus, um zu sehen, was man von ihm wünschte, und wurde ohne Schwierigkeiten in eine zwanglose Unterhaltung verwikkelt, zuerst übers Wetter und die Ernte, dann über den Kanal, das Hochwasser und den Fluß. Es dauerte nicht lange, und Wimsey stand auf dem schmalen Holzsteg, der die Schleuse überspannte, und sah nachdenklich ins grüne Wasser. Es herrschte gerade Niedrigwasser, und die Tore waren teilweise geöffnet, so daß sich das Wasser des Wale auf seinem Wege zum Meer in einem trägen Rinnsal durch sie ergoß.
»Sehr malerisch und hübsch«, sagte Wimsey. »Kommen hier auch manchmal Künstler und andere Leute her, um das zu malen?«
Der Schleusenwärter wußte nichts davon.
»Die Mauern hier könnten hier und da auch mal ein paar Steine und Mörtel vertragen«, sprach Wimsey weiter. »Und die Tore sehen mir ziemlich altersschwach aus.«
»Ha!« sagte der Schleusenwärter. »Das glaub ich Ihnen!«
Er spuckte in den Fluß. »Die Schleuse hier, die hätte schon repariert werden müssen, also, vor mindestens zwanzig Jahren. Mindestens.«
»Warum geschieht denn nichts?«
»Ha!« machte der Schleusenwärter.
Ein paar Minuten lang schien er melancholischen Gedanken nachzuhängen, und Wimsey störte ihn nicht dabei. Als er dann sprach, machte jahrelanges Dulden seine Stimme schwer.
»Es weiß ja anscheinend keiner, wer für die Schleuse zuständig ist. Das Moorentwässerungsamt – tja, das sagt, so was gehört von der Wale-Flußaufsicht gemacht. Und die sagt, das Moorentwässerungsamt soll sich drum kümmern. Und jetzt haben sie sich geeinigt, die Wasserstraßenkommission Ost einzuschalten. Haben sie aber noch nicht gemacht.« Er spuckte noch einmal und verstummte.
»Aber«, fragte Wimsey, »wenn Sie hier nun mal viel Wasser kriegen, halten die Tore das
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