Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
ausschlämmt, so daß die Flut wieder bis zur Mündung des Drei ßigfußkanals hinaufgeht, wie es früher angeblich mal gewesen sein soll. Davon weiß ich natürlich nichts, Sir, denn das muß zur Zeit Oliver Cromwells gewesen sein, und ich bin erst zwanzig Jahre hier, aber das hat der Chefingenieur gesagt. Sie sind jetzt mit dem Kanal bis auf ein, zwei Meilen an die Stadt heran, und im Juni soll es eine große Eröffnungsfeier geben, mit einem Galafest und Cricket und allerlei Zeitvertreib für die Jugend, Sir. Und sie sagen, sie haben den Herzog von Denver gebeten, herzukommen und den Kanal zu eröffnen, aber wir wissen noch nicht, ob er kommt.«
    »Er wird schon kommen«, meinte Wimsey. »Himmel, er wird kommen. Er hat nichts zu arbeiten, da kann ihm das doch nur guttun.«
    »Meinen Sie, Sir?« fragte der Kellner skeptisch, denn er kannte den Grund für diese Gewißheit nicht, mochte aber auch dem Gast nicht widersprechen. »Doch, Sir, die Stadt würde es ihm schon hoch anrechnen, wenn er käme. Möchten Sie noch eine Kartoffel, Sir?«
    »Ja, bitte«, sagte Wimsey. »Ich werde es mir angelegen sein lassen, dem alten Denver Dampf zu machen, damit er seine Pflicht tut. Wir kommen alle. Wird ein Mordsspaß! Denver wird allen Siegern einen Goldpokal stiften und ich allen Verlierern ein Silberkarnickel, und wenn wir Glück haben, fällt einer ins Wasser.«
    »Das wäre eine große Freude«, sagte der Kellner todernst.
    Erst als der Portwein (Tuke Holdsworth '08) auf dem Tisch stand, zog Wimsey den Brief aus seiner Tasche und feixte ihn an. Er war in einer fremdländischen Handschrift an M. Paul Taylor, Poste Restante, Walbeach, Lincolnshire, Angleterre adressiert.
    »Meine Familie«, bemerkte Lord Peter, »wirft mir immer vor, ich sei unbeherrscht und zügellos. Wie wenig sie mich doch kennt. Statt diesen Brief sofort zu öffnen, hebe ich ihn für Polizeidirektor Blundell auf. Statt stehenden Fußes zu Polizeidirektor Blundell zu eilen, bleibe ich hier ganz ruhig in Walbeach sitzen und lasse mir Lammbraten schmecken. Es stimmt zwar, daß der gute Blundell heute gar nicht in Leamholt ist und mit einer eiligen Rückkehr nichts gewonnen wäre, aber trotzdem – da sieht man's jedenfalls. Der Umschlag trägt einen Stempel, der nur zur Hälfte zu entziffern ist, aber soviel ich sehe, ist es ein Ort, der auf ›y‹ endet und im Departement Marne oder Seine-et-Marne liegt – eine Gegend, die so manchem durch Dreck, Blut, Granattrichter und Schützengrabenfüße in lieber Erinnerung ist. Die Qualität des Umschlags ist sogar für französische Umschläge relativ schlecht, und die Schrift sieht aus, als ob sie von ungeübter Hand mit einer postamtlichen Feder und entsprechender Tinte aufs Papier gebracht worden wäre. Tinte und Feder bedeuten allerdings wenig, denn ich habe noch in keinem Teil Frankreichs je eine Feder oder Tinte gesehen, mit der ein normaler Mensch auch nur einigermaßen schreiben könnte. Aber die Handschrift sagt vieles aus, denn obwohl alle Franzosen miserabel schreiben, findet man dank des staatlichen Erziehungssystems in diesem Land selten jemanden, der sehr viel miserabler schreibt als alle andern. Das Datum ist verwischt, aber da wir die Ankunftszeit kennen, können wir die Absendezeit erraten. Läßt der Umschlag sonst noch irgendwelche Schlüsse zu?«
    »Wenn es mir gestattet ist, dies zu sagen, Mylord, so ist es vielleicht ein wenig auffällig, daß Name und Adresse des Absenders nicht auf der Rückseite stehen.«
    »Sehr gut beobachtet. Jawohl, Bunter, dafür gibt's die volle Punktzahl. Wie Sie unzweifelhaft schon des öfteren bemerkt haben, schreiben die Franzosen selten ihre Adresse an den Anfang des Briefes, wie wir Engländer es tun, obwohl sie ab und an so unnütze Hinweise wie ›Paris‹ oder ›Lyon‹ ans Ende setzen, aber ohne Straße und Hausnummer. Dagegen schreiben sie diese notwendigen Informationen häufig auf die Rückseite des Umschlags, wohl in der Hoffnung, daß dieser ins Feuer wandert und unwiederbringlich verlorengeht, bevor der Brief beantwortet oder auch nur gelesen wird.«
    »Ich kann mitunter nicht umhin, Mylord, mich über diese Angewohnheit zu wundern.«
    »Zu Unrecht, Bunter. Sie ist ganz vernünftig. Zunächst einmal ist es bei den Franzosen eine fixe Idee, daß die Mehrzahl aller Briefe bei der Post verlorengeht. Sie bringen staatlichen Stellen kein Vertrauen entgegen, und ich glaube, sie haben vollkommen recht. Sie hoffen jedoch, daß die Post, wenn sie einen Brief

Weitere Kostenlose Bücher