Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Seele aus dem Fegefeuer umfing mich. Endlich naht' von fern der Morgen in rötender Helle.‹ Wer das geschrieben hat, muß jedenfalls ein Ohr für Rhythmus gehabt haben. LeFanu, meinen Sie? Kann nicht weit daneben liegen, Bunter. Mich erinnert es an eine dieser Traumszenen.«
»Daran hatte ich auch gedacht, Mylord.«
»An der Stelle, die ich meine, sollte ja das Opfer wieder nach oben geschickt werden. Wurde es doch auch, nicht wahr, Bunter?«
»Aus dem Grab, Mylord? Ich glaube, ja. Wie der Unbekannte, mit dem wir uns hier beschäftigen.«
»Sie sagen es – Sie sagen es. ›Satanas Pfuhl brüllt wieder, und Erebus öffnet sich‹, schreibt unser Korrespondent. Meint er damit vielleicht etwas Bestimmtes, Bunter?«
»Könnte ich nicht sagen, Mylord.«
»Das Wort ›Erebus‹ kommt ja auch bei LeFanu vor, nur wird es da mit O geschrieben – Erebos. Wenn der Verfasser sich seine Eingebung dort geholt hat, muß er mit beiden Schreibweisen vertraut gewesen sein. Alles sehr merkwürdig, mein lieber Bunter. Wir fahren jetzt nach Leamholt und vergleichen mal die beiden Schreiben.«
Ein kräftiger Wind wehte über die Fenmoore, und riesige weiße Wolken segelten geschwind unter dem weiten blauen Himmelsgewölbe dahin. Als sie vor der Polizeistation von Leamholt anhielten, kam ihnen der Polizeidirektor entgegen, der eben selbst in seinen Wagen steigen wollte.
»Kommen Sie zu mir, Mylord?«
»Ja. Und Sie wollten zu mir?«
»Ganz recht.«
Wimsey lachte.
»Es tut sich ja etwas. Was haben Sie denn Schönes?«
»Wir haben Cranton.«
»Nein!«
»Doch, Mylord. Man hat ihn irgendwo in London aufgespürt. Hab's heute früh erfahren. Anscheinend ist er krank oder so was. Jedenfalls haben wir ihn. Ich fahre hin, um ihn mir vorzuknöpfen. Möchten Sie mit?«
»Und ob! Soll ich Sie hinfahren? Dann spart der Staat das Fahrgeld. Und es geht schneller und bequemer.«
»Recht herzlichen Dank, Mylord.«
»Bunter, telegraphieren Sie dem Herrn Pfarrer, daß wir nach London gefahren sind. Hüpfen Sie rein, Chef. Jetzt werden Sie mal sehen, wie schnell und sicher moderne Verkehrsmittel sind, wenn ihnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung auferlegt wird. Ah, Moment noch. Solange Bunter das Telegramm aufgibt, werfen Sie mal einen Blick hierauf. Das hab ich heute früh bekommen.«
Er reichte ihm Hilary Thorpes Brief und die Anlage.
»Schlotschwarze Elefanten?« meinte Mr. Blundell. »Um Himmels willen, was soll denn das?«
»Weiß ich nicht. Ich hoffe, Ihr Freund Cranton kann uns das sagen.«
»Aber das ist doch völlig bekloppt.«
»Ich glaube nicht, daß ein Bekloppter sich in solche Höhen aufschwingen könnte. Nein, ich weiß schon, was Sie meinen – bemühen Sie sich nicht, es zu erklären. Aber das Papier, Chef, das Papier!«
»Was ist damit? Ach so, jetzt verstehe ich. Sie meinen, es kommt aus derselben Ecke wie Suzanne Legros' Brief? Würde mich nicht wundern, wenn Sie recht hätten. Kommen Sie rein, wir schauen es uns mal an. Himmel aber auch, Mylord, Sie haben recht! Könnte vom selben Block abgerissen sein. Also, ich werde … In der Glockenstube gefunden, sagen Sie? Was könnte das denn nach Ihrer Meinung bedeuten?«
»Ich glaube, das ist der Brief, den Legros seinem Freund in England geschickt hat – die ›Garantie‹, die er aufgesetzt hat und für die er sich stundenlang in seinem Zimmer einschließen mußte. Und ich glaube, es ist der Schlüssel zum Versteck der Smaragde. Eine Chiffre oder so etwas.«
»Eine Chiffre? Aber eine komische. Werden Sie schlau daraus?«
»Noch nicht. Aber ich find's heraus! Oder ich finde einen, der das entziffern kann. Noch hoffe ich, daß Cranton es uns übersetzt. Aber ich wette, er wird's nicht tun«, fügte Seine Lordschaft sinnend hinzu. »Und selbst wenn wir den Text herauskriegen, fürchte ich, daß er uns nicht viel nützen wird.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie Gift darauf nehmen können, daß derjenige, der Legros getötet hat – ob Cranton oder Will Thoday oder ganz jemand anders, von dem wir noch gar nichts wissen –, die Smaragde längst geholt hat.«
»Das darf man wohl annehmen. Aber auf jeden Fall, Mylord, wenn wir die Chiffre herauskriegen und das Versteck finden und das Zeug ist weg, haben wir immerhin den Beweis, daß wir auf der richtigen Fährte sind.«
»Das schon. Aber«, fuhr Wimsey fort, als der Polizeidirektor und Bunter in den Wagen stiegen und mit einer Geschwindigkeit aus Leamholt getragen wurden, die dem Polizisten den Atem verschlug, »wenn die
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