Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
Und wo sie überall im Dorf Logis genommen haben und zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen und gehen und mit ihren schnellen Wagen herumsausen, braucht man sich über nichts mehr zu wundern.» «Sie sprachen vorhin von den Quarleys?» «Alte Gutsbesitzerfamilie. Mit dem besten Haus im Dorf – nehmen also einen Logiergast auf wie andere auch. Nun hat das Mädel einen Braten in der Röhre und keinen Ring am Finger. Ganz schöner Abstieg. Wäre alles nicht so schlimm, wenn es nicht so viele Leute gäbe, die sich noch erinnern, was für einer der alte Quarley war. Ihr Großvater.»
«Was für einer war er denn?», fragte Peter. «Ganz schöner Zuchtmeister, was ich so höre. War vor meiner Zeit – ich hab den Laden hier 23 übernommen. Aber er muss einen Haufen Leute beschäftigt haben. War ein großer Hof, jede Menge Gemüse, da braucht man schon ordentlich Volk. Er hat überall Cottages für seine Arbeiter bauen lassen, und ist einer nur andeutungsweise ins Gerede gekommen, gab's noch einen Wochenlohn für den Mann, und schon hat er die ganze Familie auf die Straße gesetzt. Da war er knallhart, und so was vergessen die Leute nicht so schnell.»
«Ja, ja, in vielerlei Hinsicht war die gute alte Zeit keine gute alte Zeit», sagte Peter.
«Wer sich ordentlich aufgeführt hat, den hat er ordentlich behandelt, das muss man auch sehen», sagte der Wirt. «Wenn man bei ihm gearbeitet hat, brauchte man keine Not leiden, und wenn die Kinder krank waren, hat er den Arzt bezahlt. Aber es fällt schon schwer, sich ein Grinsen zu verkneifen, wenn man daran denkt, dass seine Enkelin genau so 'n Flittchen ist, wie die, die er früher weggejagt hat.»
Plötzlicher Tumult war aus dem Schankraum zu hören. Ein Stuhl fiel um, ein Glas zerbrach, und jemand brüllte: «Ich schlag dir die Zähne ein, wenn du weiter so über sie redest!»
«Ist ja gut, ist ja gut, Jeff», wiegelte der Wirt ab. «Tut mir Leid, ich hab dich da drüben nicht gesehen. War doch nicht bös gemeint.»
«Nicht zu fassen, Dick, wie redest du denn dann, wenn du's auch so meinst?», ließ sich eine Frauenstimme vernehmen. «Dein Mundwerk ist so lose, dass man sich wundern muss, dass du's überhaupt noch hast.»
«Nichts für ungut», sagte der Wirt. «Will noch wer was trinken, eh Sperrstunde ist? Und reden wir von was anderem.» Kurz darauf erschien Peter wieder in der Lounge.
«Wer ist denn da so wütend geworden?», fragte Harriet ihn.
«Der Bruder der jungen Dame, wenn ich richtig verstanden habe. Und ein Bruder rundet die Besetzungsliste doch sehr schön ab, findest du nicht?»
«Eine etwas kitzlige Angelegenheit», sagte Peter am folgenden Morgen. Sie frühstückten im Hinterzimmer des Gasthofs, und es gab Porridge und Toast, da weder Eier noch Schinken zu bekommen waren. Harriet fiel auf, dass Peter den Haferbrei nur mit Salz und Milch aß – sie tat Zucker an ihren. «Was ist der nächste Schritt für uns, was denkst du?»
«Wie kann denn bloß niemand von Mike Newcastle gehört haben?», sagte Harriet nachdenklich. «Ich hatte mir vorgestellt, wir sprechen als Erstes mit ihm.» «Er kann ja auch ein Freund von Brinklow gewesen sein, auch wenn er nicht in der gleichen Einheit dient. Nur bleibt uns damit keine andere Wahl, als mit der jungen Frau direkt zu sprechen. Nach dem, was der Wirt gestern gesagt hat, nehme ich an, dass sie in dem ansprechenden georgianischen Haus an der Straße nach Alnwick zu finden ist.»
Also machten sich Peter und Harriet nach dem Frühstück auf die Suche nach dem Quarley'sehen Gutshaus. Es war in der Tat dasjenige, das Peter ins Auge gefallen war: ein gediegener Backsteinbau mit einem hübschen Fächerfenster über der Tür, der das Flair heruntergekommener Vornehmheit ausstrahlte. Peter klopfte und wartete. Plötzlich war Harriet die ganze Sache peinlich. Was würde er fragen? Wie konnte er ihr Anliegen vorbringen?
Eine Frau mittleren Alters öffnete. Sie trug ein leicht abgetragenes Twinset und einen Tweedrock und hielt eine Gartenschere in der einen Hand, in der anderen eine Blumenvase. Verdutzt starrte sie die Besucher an. Harriet überließ das Reden Peter und konzentrierte sich selbst aufs Beobachten. «Kann ich Ihnen helfen?», fragte die Frau. Es klang, als hielte sie das nicht für sehr wahrscheinlich. Ihr Blick war fahrig, und ihr ganzes Auftreten erinnerte Harriet mit einem Mal an manche Freundinnen ihrer Mutter. Es war schon lange her, dass es ihr begegnet war: die Demonstration betonter Verletzlichkeit
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