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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Fall sein, als uns lieb ist!» «Die Lage ist nicht gerade rosig», sagte Harriet. «Aber was würde ich nicht dafür geben, Peter diesen Schock zu versetzen – wenn er denn überhaupt zu schockieren ist.»
    «Ach, Peter! Der ist ein solcher Gefühlsmensch, dass er schon eine Frau ehrenhalber ist!»
    «Also, von dieser Vorstellung wäre er wohl wirklich schockiert», sagte Harriet lächelnd.

    Als Nächstes musste sie zum Haus, den Nähkasten von Mrs. Trapp abholen und einmal nachschauen, ob alles in Ordnung war. Im Sonnenschein spazierte sie gemächlich zum Audley Square, ganz in Gedanken an daheim versunken. Das Gebäude schenkte ihr einen leeren Blick, alle Fensterläden waren geschlossen. Sie stieg die Stufen empor. Drehte sich der Schlüssel früher auch so schwer im Schloss? Noch an die Helligkeit der Straße gewöhnt, musste sie in der düsteren Eingangshalle blinzeln. Die Konsoltische verbargen sich alle unter weißen Tüchern. Sie stieg die läuferlose Treppe hinauf und fand den Salon in gleicherweise verhängt. Staubige Kissenbezüge hüllten die Kronleuchter ein, staubige Baumwolle deckte Sofas und Stühle, die Gemälde waren mit Bahnen aus Sackleinen behängt, die Teppiche lagen aufgerollt und aufeinander gestapelt vor den Wänden. Die Fensterläden, geschlossen und verriegelt, ließen einzelne Lichtstrahlen herein, in denen die Staubpartikel schwebten wie winzige Sterne.
    Es sah alles so fremdartig und anders als erwartet aus. Zumindest blieb Harriet die brutale Wucht der Nostalgie erspart, vor der sie solche Angst gehabt hatte. Der Gedanke allein, dass dieses Haus in unverhüllter Pracht ihr gehören könne, entbehrte jegli cher Glaubwürdigkeit, da der Prinz aus ihrem Leben entschwunden war. Und das Gleiche galt natürlich für andere Dinge, wie Glaspantoffeln und güldene Roben auch.
    Aus der Zauber, Cinderella, dachte Harriet bei sich. Die Nähkiste war schnell gefunden. Sie befand sich genau am von Mrs. Trapp angegebenen Ort, in der linken unteren Schublade der Küchenanrichte nämlich, neben den Geschirr- und den Gläsertüchern. Die hübsche Winchester-Arbeit war ein Geschenk der Herzoginwitwe zu Mrs. Trapps fünfundzwanzigstem Jahr ihres Dienstes für das Haus Denver gewesen. Ein schwierigeres Unterfangen war da schon die Suche nach den Büchern, die sie haben wollte, da die Regale in ihrem Arbeitszimmer ebenfalls verhängt waren. Harriet musste in ihrer Erinnerung kramen, was wo stand, die Tücher anheben, sich darunter schlängeln und das jeweilige Buch suchen, indem sie, mit den Buchrücken unmittelbar vor ihrer Nase, nach den Titeln schielte. Wie sich herausstellte, war ihr visuelles Gedächtnis hinsichtlich der Standorte einzelner Bücher ziemlich gut, und sie hatte ihren kleinen Stapel schon fast komplett und in dem Einkaufsnetz verstaut, in dem sie nach Talboys befördert werden sollten, als die Sirenen zum Luftalarm losheulten. Mist, dachte Harriet, was mache ich denn jetzt? Sie hatte nicht die geringste Ahnung. Wo war der nächste Schutzraum? Sie konnte niemanden fragen. Sollte sie einfach hinausgehen und einen suchen? Sie öffnete den Fensterladen einen Spalt weit und linste hinaus. Die Straße lag verlassen da, keine Spur von einer dahineilenden Menge, der sie sich hätte anschlie ßen können. Sie war schon halb gewillt zu bleiben, wo sie war, und das Risiko auf sich zu nehmen. Aber ein Zugeständnis an Hitler würde sie doch machen: Sie stieg die Dienstbotentreppe hinunter und wartete das Ende des Angriffs im Keller ab. Bekümmert schaute sie von dort durch die Gartentür zu den ehemaligen Stallungen hinüber, die sie erst vor kurzem und bereitwilligst zur ehelichen Wohnung für den frisch vermählten Bunter und seine junge Frau hatten ausbauen lassen. Die Bunters hatten nun ein kleines Kind, das bei Hopes Eltern untergebracht war, während Hope irgendeinen Kriegshilfsdienst versah, der etwas mit Fotografie zu tun hatte. Das Cottage drüben lag also auch verbarrikadiert und verlassen da.
    Ein Anflug von Zorn kam über Harriet. Wie konnte jemand die Unverfrorenheit besitzen, eine solche Drohung über andere Menschen zu verhängen und so sehr in ihr Leben einzugreifen? Wie ungeheuerlich diese Situation doch war! Dann überfiel sie tiefe Traurigkeit, und sie ließ sich still in Mrs. Trapps Lehnstuhl neben dem kalten Küchenherd nieder, um sich mit einem Buch die Zeit zu vertreiben. Aber die Zeit wurde immer länger. Es kam keine Entwarnung, und wenn es noch lange dauerte, würde sie

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