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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Hackney Marshes zu sehen waren. Harriet hielt es für besser, die Taxis denjenigen zu überlassen, die in dringenden Geschäften unterwegs waren. So kämpfte sie sich durch die Menschenmassen und bestieg einen Bus, um zur Kanzlei zu gelangen.
    Der Bus war ebenso voll und seine Fenster waren mit einem gazeartigen Gewebe verhängt, das nur in der Mitte einen kleinen Rhombus frei ließ, damit die Fahrgäste hinauslugen und feststellen konnten, wo sie sich gerade befanden. Als Harriet hinausspähte, sah sie die sandsackbewehrten Schaufenster, die Schlangen vor den Bäckereien, die Luftschutzposten, die man an jeder Straßenecke errichtet hatte, die Fensterscheiben, die kreuz und quer mit Klebeband versehen oder mit Brettern vernagelt waren. Ernst und nüchtern hatte sich die Stadt für den kommenden Schrecken gewappnet. Der Bus umrundete Piccadilly Circus, den verhüllten Sockel ohne seinen Eros, und fuhr die Regent Street hinauf, vorbei am Café Royal. Eine Gruppe von jungen Frauen in Ballkleidern und Männern im Abendanzug strömte auf das Trottoir und blinzelte ins helle Morgenlicht. «Ich fass es nicht!», sagte ein Mann unweit von Harriet. «Wissen die nicht, dass wir Krieg haben?» «Die wissen doch auch wohl, wann sie Geburtstag haben?», befand der Schaffner, der ins Schwanken geriet, als der Bus durch die Kurve des Quadrant fegte. «Ach, seien Sie doch nicht so», meinte die Frau neben Harriet. «Gönnen Sie ihnen halt den Spaß, solange es noch geht. Die werden es schon noch früh genug merken.»
    Harriet stieg verblüfft aus. Seit wann sprachen die Londoner während der Fahrt miteinander? Die Angelegenheit bei Murbles war schnell erledigt. Er brauchte Harriets Unterschrift unter einigen Dokumenten, da sie Peters Bevollmächtigte war. Sie ging von der Kanzlei zu Hatchard's und wählte für sich und die Kinder Bücher aus, die nach Hertfordshire geschickt werden sollten. Beim Hinausgehen blieb sie wie angenagelt vor dem Geschäft stehen und sah fasziniert den von Pferden gezogenen Lieferwagen eines berühmten Hutmachers vorüberfahren. Auf den ersten Blick war daran nichts Ungewöhnliches: makelloser Lack, makellos ausstaffierte Grauschimmel an der Deichsel, erstklassig ausstaffierte Kutscher in Livree. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Letzteren statt Zylindern Stahlhelme aufhatten. Harriet lachte. Und dann ging sie weiter, um sich in dem kleinen Café in Mayfair einzufinden, wo sie mit Eiluned verabredet war. «Du lieber Himmel, Harriet!», rief Eiluned, als sie an den Tisch kam. «Du wirst noch gelyncht, wenn du weiter so angezogen in London herumläufst!» «Wie angezogen?», fragte Harriet, die ihr praktisches Tweedkostüm trug.
    «Keine Uniform? Keine Armbinde? Weißt du nicht, dass wir Krieg haben?»
    «Ich bin mir nicht ganz sicher. Er hat etwas von einem Theaterstück – genau, das ist es –, er kommt mir wie eine Schulaufführung vor, wo jeder sehr bemüht ist, dass es klappt, aber die Illusion will sich nicht so recht einstellen.»
    « Ein Sommernachtstraum mit der Sportlehrerin in der Rolle des Theseus, weil alle anderen zu klein sind?»
    «So ungefähr.»
    «Also, London als Bühne, das lasse ich dir durchgehen, aber der Gedanke, dass die Vorstellung in Kürze beginnt, gefällt mir nicht», sagte Eiluned.
    «Musst du denn hier bleiben? Wenn sie schon die kostbaren Stücke aus der National Gallery nach Wales bringen, scheint es dort ja viel sicherer zu sein. Fahr doch nach Hause.»
    «Ich lasse mich zur Krankenwagenfahrerin ausbilden und lerne ein bisschen erste Hilfe.»
    «Gut so. Und was macht die Clique?»
    «Ist längst in alle Winde verstreut. Sylvia ist nach Amerika gegangen. Joan – hast du Joan noch gekannt? – hat ihr Atelier übernommen. Sie macht Plakate, die den Kampfgeist stärken sollen: ‹Ackern für den Sieg› und ‹Augen auf, Mund zu›, sehr sowjetisch alles. Jetzt erzähl mal. Wie ist das Leben in Hertfordshire? Geht alles seinen Gang?»
    «Mehr oder weniger», sagte Harriet. Und sie erstattete Bericht aus Paggleham, ohne den Mord zu verschweigen.
    «Bloß gut, dass wir hart im Nehmen sind, was, Harriet?», bemerkte Eiluned, als sie zu Ende gegessen hatten. «Die Zeiten der Weibchen-Masche, als Frauen wie du und ich als schräge Vögel dastanden, sind vorbei. Plötzlich ist es unheimlich in, sich wie ein Mann anzuziehen und die Dinge in die Hand zu nehmen. Die Männer werden einen furchtbaren Schock erleiden, wenn sie heimkommen – und das könnte früher der

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