Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
gerade dabei, das Frühstück für Hope auf ein Tablett zu stellen, die einmal ausschlafen wollte.
«Ich komme schon», sagte Harriet und stand sofort auf. Superintendent Kirk stand an der Pforte zum Cottage. Er begrüßte sie mit düsterer Miene. «Anscheinend hat ihn seit mehreren Tagen keiner mehr gesehen. Susan Hodge sagt, das sei nicht ungewöhnlich für ihn, er bleibe gerne für sich.»
«Das Nächstliegendste wäre, dass er zu seiner Einheit zurückgekehrt ist», sagte Harriet.
«Wissen Sie zufällig, welche Einheit das ist?» «Leider nein, Superintendent. Hat er seine Sachen mitgenommen?»
«Ich kann ja nicht hinein, um nachzusehen. Man müsste die Tür aufbrechen, und dafür brauchte ich einen Durchsuchungsbefehl. Und um einen zu beantragen, müsste ich mich schon auf mehr berufen können als nur meinen Instinkt. Die Sache hier gefällt mir einfach nicht.»
«Etwas ist faul im Staate Dänemark?»
«Hamlet», sagte er lustlos. «So ungefähr.» «Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen», meinte Harriet, «und wir müssen uns nicht wieder Gedanken um den unbekannten Irren machen.»
«Ich würde eher meinen, er hat spitzbekommen, dass wir ihn wegen Wendy Percival befragen wollten, und da hat er sich abgesetzt. Sie würden staunen, wie oft ein Verdächtiger das Weite sucht, wenn wir noch kaum einen Beweis gegen ihn in der Hand haben, und damit ist die Sache dann klar. ‹Warum sind Sie denn weggelaufen›, fragen Sie ihn dann, ‹wenn Sie doch nichts zu verbergen hatten?›»
«Sie glauben nicht, dass er vielleicht das nächste Opfer geworden ist?»
«Es ist eine Sache, eine wehrlose Frau zu überfallen, aber eine ganz andere ist es, auf einen Mann im besten Alter loszugehen – fit, durchtrainiert, groß. Selbst wenn er einen kaputten Knöchel hat.»
«Der Knöchel!», fiel ihr ein. «Aber ich habe ihn laufen sehen, als er den Zug noch kriegen wollte!» «Tatsächlich? Wann war das genau?»
«Vor zwei Wochen – an dem Tag, als ich in London war. Mit anderen Worten, noch bevor er den Mietvertrag für das Cottage verlängert hat. Das also ist des Pudels Kern …»
«Dafür reicht meine Bildung nicht, Lady Peter. Erst einmal suche ich nach einem Weg, wie wir in dieses Cottage hineinkommen.»
«Die Quelle von ‹des Pudels Kern› kennen viele nicht,
Mr. Kirk. Ein deutsches Drama. Miss Hodge gibt Ihnen bestimmt den Schlüssel.»
«Um drinnen herumzuschnüffeln? Gegen die Vorschriften.»
«Dann hole ich den Schlüssel», schlug Harriet vor. «Wenn jemand etwas dagegen hat, kann ich wahrheitsgemäß sagen, dass ich mir das Haus anschaue, weil ich es mieten möchte, sobald es frei wird. Und Sie sind ganz zufällig dabei.» Damit ließ sie ihn im Garten stehen und begab sich auf die Suche nach Susan Hodge.
Brinklow hatte nichts mitgenommen. Im Kleiderschrank hingen seine Hemden, in der Speisekammer fand sich etwas zu essen – Brot, sauer gewordene Milch, ein paar recht grünstichige Würstchen –, auf dem Kaminsims in der Küche waren seine Lebensmittelmarken hinter die Uhr gesteckt. Ein Schachspiel stand bereit für eine einsame Partie, daneben lag aufgeschlagen ein Buch mit Schachzügen. Dass er die Lebensmittelmarken zurückgelassen hatte, war aufschlussreich: Wer sie zurückließ, riskierte zu verhungern. Diskretes Wühlen in Kommodenschubladen förderte ein Bündel Banknoten zutage, zusammengehalten von einem Gummiband. Eine Menge Geld. «Der kommt wieder», meinte Harriet.
«Zumindest macht es den Anschein, als hätte er das vorgehabt», stimmte Kirk ihr zu. «Mir gefällt das Ganze immer noch nicht. Ich werde mir einen Durchsuchungsbefehl besorgen und mir das Haus noch einmal richtig vornehmen. Es könnte nicht schaden, hier Fingerabdrücke zu sichern, rein auf Verdacht. Ob Mr. Bunter da wohl behilflich sein könnte?»
«Ich kann ihn fragen», antwortete Harriet. «Aber seine Frau ist gerade für zwei Tage zu Besuch, beanspruchen Sie ihn doch bitte nicht allzu sehr.» Dies zog eine Einsatzbesprechung mit Bunter nach sich, der höchst bereitwillig mittun wollte und sich sogleich eine Jacke überzog. Er borgte sich von Harriet noch Talkumpuder, und weg war er. Sie ging zu ihrem Schreibtisch und schlug ihr Notizbuch auf, um zu arbeiten.
Etwa eine Stunde später begann Hope im Zimmer unter ihr Klavier zu spielen. Harriet legte den Stift hin und lauschte. Sie hatte es so gern, wenn Klaviermusik durch die Räume wehte, als würden sie von ihr mitbewohnt. Ihre Mutter hatte Klavier gespielt,
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