Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
dachte sich im stillen, dass sie doch gar kein so schlimmer Drachen war. Im Hinausgehen sah er am Schild an der Tür, dass ihr Name Heinrich war. Frau Heinrich also. Er würde sich den Namen merken.
Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass die Schüler in etwa zwanzig Minuten fertig sein würden. Mark ging zu seiner liebsten Ecke der ganzen Schule. Der erste Stock im Gebäude des Gymnasiums. Hier stand der Kaffeeautomat. Er zog sich eines von den heißen, ekelhaft schmeckenden Getränken und schlürfte es. Dabei lehnte er sich an die Heizung im Flur und beobachtete Schüler und Lehrende, die an ihm vorüber zogen.
Nach fünf Minuten hörte er erregte Stimmen. Verwundert wandte er sich um und sah, dass die Tür neben ihm einen Spalt weit offen stand. Obwohl er wusste, dass man das eigentlich nicht tat, begann er zu lauschen. Man musste ihm zugute halten, dass er anfangs noch versuchte, seinen Kaffee möglichst laut zu trinken. Doch dann war er so gebannt von der Entwicklung des Streits, dass er den Becher sogar sinken ließ.
„Und jetzt sind Ferien. Sehen wir dich überhaupt noch mal in diesem Leben?“, fragte eine junge, männliche Stimme.
„Er meint, dass du weder anrufst, noch mit uns spricht.“, fügte eine zweite hinzu. „Man könnte meinen, wir wären überhaupt nicht mehr existent. Mann, merkst du denn nicht, was deine neuen Freunde mit dir machen?“
Die nervöse Stimme, die auf die Vorwürfe antwortete, war Mark nicht unbekannt. „Ihr versteht das nicht, es ist schwierig. Außerdem kann ich es nicht sehr gut erklären. Ich bin ohnehin nicht sehr gut, wenn es darum geht, Sachen zu erklären, wenn ihr das noch wisst. Und ich finde es im Übrigen nicht sehr gerecht, was ihr mit mir hier macht. Es geht doch nicht, dass ihr mich einfach hier herein stoßt und mich mit Vorwürfen attackiert. Das ist nicht nett.“
Mark legte eine Hand an die Stirn. „Nicht reden!“, flüsterte er verzweifelt.
„Line, du musst handeln !“
„Doch, das ist genau das, was du brauchst!“, fuhr die erste Stimme wieder auf.
„Anders scheinst du es doch nicht mehr zu begreifen! Wir sind deine Freunde, Collin!“
Die zweite Stimme wirkte nun nicht länger wütend, sondern eher besorgt.
„Weißt du denn nicht mehr, dass wir seit der Grundschule befreundet sind? Wir machen uns nur Sorgen, dass du einsam wirst, wenn du nicht mehr mit uns zusammen bist. Was soll das denn?“
Line schwieg lange. Mark nahm einen Schluck Kaffee.
„Wieso sagst du denn jetzt nichts mehr? Hast du deine Zunge verschluckt?“
„Hör mal,...“ Das Besorgte war wieder aus der Stimme gewichen. „Wir dachten, dass du ein anständiger Kerl seist. Doch anscheinend ist dem nicht so. Du bist dauernd nur noch mit den Studierenden zusammen. Wir wollen wissen, warum. Was haben die denn, was wir dir nicht bieten können? Tolle Spiele? Sind sie reicher, lustiger oder intelligenter als wir? Bist du dir nun zu fein, mit uns zusammen zu sein?“
Nein, dem war nicht so. Und das mussten Collins Freunde eigentlich wissen. Line war jemand, den man nicht einengen sollte. Was anfangs der Mangel an Zeit gewesen war, waren heute die Vorwürfe und die Wut, die die Freundschaft zum Ende führten. Und durch ihre Reden brachten sie Line immer weiter von sich weg.
„So ist das nicht.“, begann Line. Er wirkte nun vollkommen ruhig. „Es gibt da etwas, das ich euch noch nicht erzählen kann. Ihr würdet es mir nicht glauben. Es ist einfach zu unglaubwürdig, was...“ Er verhaspelte sich und schwieg lieber. Mark schüttelte den Kopf. Line handelte noch immer nicht.
„Weißt du eigentlich, was du redest oder hast du das schon vergessen?“, fragte die erste Stimme wieder. „Ein großes Geheimnis, dessen Inhalt wir nicht wissen dürfen? Erzähle das irgendjemandem, Collin, aber nicht uns!“
„Bist du schon so weit, es zu erzählen?“, flüsterte Mark. „Oder soll ich dir helfen?“ Er verfolgte damit keine Absicht und doch fühlte er sich angesprochen, als Line auf einmal sagte: „Eine große Hilfe wäre es, wenn ich euch irgendetwas erzählte. Etwas, das blödsinnig ist und gleichzeitig eine Lüge. Zumindest, um Ruhe vor euch zu haben. Doch ich will das nicht. Ich will euch nicht belügen.“
„Dann erzähle uns die Wahrheit!“, forderte die zweite Stimme.
Mark neigte den Becher und leerte ihn bis zum Boden. Dann stieß er sich von der Heizung ab, um zum Papierkorb zu gehen. Nachdenklich blickte er zurück zu der Tür. Es wäre ein Leichtes, nun das
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