Wind der Gezeiten - Roman
geformten nackten Arme, die sie auf dem Tisch aufgestützt hatte, schimmerten wie polierte Bronze.
» Celia, habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, was für eine wunderschöne junge Frau du bist? « , entfuhr es ihm. Im selben Moment, als die Worte draußen waren, hätte er sie am liebsten zurückgenommen. Wie zum Teufel sollte sie eine solche Bemerkung aus seinem Mund auffassen, wenn nicht auf jene eine fatale Weise, durch sie sich zwangsläufig in eine bestimmte Ecke gedrängt fühlen musste? William hatte die Pflanzer, die sich an ihre Mägde und Sklavinnen heranmachten und ihre Abhängigkeit ausnutzten, stets tief verachtet. Nie hatte er seine diesbezüglichen Grundsätze verletzt. Umso verwerflicher war es, so mit Celia zu reden, die er in hohem Maße wertschätzte und respektierte.
Mit gespielter Geschäftigkeit stellte er das Glas hin und stand auf. Er zupfte seinen Hemdkragen zurecht, dann deutete er auf einen kleinen Papierstapel, den er durch die offene Verandatür auf dem Tisch im Salon liegen sah und der ihm nun wie ein rettender Anker erschien.
» Sind das die Lieferdokumente vom heutigen Wareneingang? « , fragte er sachlich. » Die sehe ich mir rasch noch an, bevor ich zu Bett gehe. «
» Ja, das sind die Dokumente. Außerdem hat der Lieferant auch einige Briefe mitgebracht. « Celia war ebenfalls aufgestanden und räumte mit gesenktem Kopf Geschirr und Gläser zusammen.
William ging in den Salon und blätterte die Papiere durch. Er hatte bei einem als zuverlässig geltenden Londoner Händler einiges an Hausrat bestellt, Kleinmöbel und Stoff für Draperien, ein paar Teppiche, Porzellan, Kandelaber. Am Mittag war ein Fuhrwerk vom Hafen heraufgekommen und hatte die Sachen gebracht. Er hatte selbst beim Abladen geholfen. Es war alles in Ordnung gewesen. Von daher hatte kein Anlass bestanden, die Lieferscheine durchzugehen, zumal die Ware bereits bezahlt war.
Bei den Unterlagen befanden sich die Briefe, die Celia erwähnt hatte. Ein Schreiben von seinem Bankbeauftragten in London, der dort für ihn die Geldgeschäfte führte. William hatte einen Teil des zuletzt mit dem Zuckeranbau erwirtschafteten Erlöses in England angelegt, was ihm sicherer erschien, als es hier auf Barbados aufzubewahren. Nachdem der Gouverneur sich als ebenso skrupellos wie raffgierig entpuppt hatte, traute William ihm jederzeit weitere Schlechtigkeiten zu. Der Kerl hatte die Elise vor dem Auslaufen tatsächlich unter Beschuss nehmen lassen; William hatte stundenlang gebangt, bis der heraufziehende Morgen gezeigt hatte, dass Elizabeths und Duncans Flucht trotz des feigen Hinterhalts geglückt war. Am liebsten hätte er noch in der Nacht den Gouverneurssitz gestürmt und den Kerl windelweich geprügelt. Und hinterher alle Mitglieder des Pflanzerrats von den verbotenen Neigungen des Gouverneurs in Kenntnis gesetzt, so wie er es ihm in jenem anonymen Brief angedroht hatte, den Anne mit spitzer Feder und noch spitzeren Worten für ihn aufgesetzt hatte. Aber Rache genoss man bekanntlich besser kalt. Überdies war das Problem mit einer Tracht Prügel oder übler Nachrede nicht endgültig zu lösen, hier mussten härtere Geschütze aufgefahren werden. Wenn jedoch alles weiterhin so klappte, wie er es sich vorstellte, würde Frederic Doyle bald das Handwerk gelegt werden, ohne dass William selbst viel dazu tun musste.
Er las den Brief fertig und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass die Geschäfte in London hervorragend gingen. Sein Gewährsmann hatte auftragsgemäß einen Teil des Geldes in verschiedene Manufakturen investiert, die lohnende Gewinne abwarfen.
Ein weiterer Brief stammte von seinem langjährigen Freund Niklas Vandemeer. Hastig überflog William die Zeilen, in der Hoffnung, nicht nur von Felicitys glücklicher Ankunft in Amsterdam zu erfahren, sondern auch Neuigkeiten über seine Schwester und Elizabeth. Doch der Inhalt des Briefes war enttäuschend. Niklas schrieb, er warte immer noch auf Felicity und wollte von William wissen, welches der Stand der Dinge sei, da er lange nichts von ihr gehört habe. William schaute auf die Datumsangabe– das Schreiben war mehrere Monate alt, abgefasst zu einer Zeit, als Felicity und die anderen Barbados noch gar nicht verlassen hatten. Zweifelsohne war der Brief auf Umwegen nach Barbados gelangt, denn ein direkter Schiffsverkehr zwischen Holland und den englischen Kolonien existierte wegen des Krieges schon seit geraumer Zeit nicht mehr.
William legte den Brief zurück und ordnete
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