Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
und kam ihr entgegen, und als er sie schließlich erreicht hatte, warf sie sich in seine ausgestreckten Arme, ohne groß darüber nachzudenken, ob es schicklich war oder nicht.
    » William! Oh mein Gott! « Sie lachte und schluchzte gleichzeitig, während er sie im Kreis herumschwang und sie dann fest an sich presste. Sie fühlte die zuverlässige Stärke und Wärme seines Körpers, das Kratzen seiner bärtigen Wange an der ihren, und das Herz lief ihr über vor Glück. Die schiere Freude, die dieses Wiedersehen in ihr wachrief, war ein so köstliches Gefühl, dass sie davon weinen musste. In Tränen aufgelöst, schmiegte sie sich an ihn und hielt ihn, und er drückte sie so inbrünstig an sich, dass sie ihre Rippen knacken hörte.
    » Verzeih. « Zögernd lockerte er seine Umarmung, um ihr intensiv ins Gesicht zu sehen. » Lizzie. Mein Gott, wie froh ich bin! «
    » Und ich erst! « Unter Tränen strahlte sie ihn an, nahm seine vertraute Erscheinung in sich auf, das schmale, ausdrucksvolle Gesicht, sein herzliches Lachen, die liebevolle Zuneigung in seinen Augen. Fest ergriff sie seine beiden Hände und sah ihn atemlos an. » Wie hast du mich hier gefunden? «
    » Ich war zuerst auf Dominica, wo ich sehr ausdauernd mit einer misstrauischen Witwe verhandeln musste, bis sie endlich bereit war, mir zu verraten, wo du dich aufhältst. Diese Miss Jane ist wirklich ein harter Brocken. «
    » Ja, sie hat einiges von einer Glucke an sich, und uns hielt sie für ihre Küken. Hat sie dir von dem schrecklichen Tyrannen erzählt, der uns dort nach dem Leben trachtete? « Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr sie vor Eifer übersprudelnd fort: » Ich habe eine Nachricht für Duncan bei ihr hinterlassen, aber dass du ebenfalls dort auftauchen würdest, konnte ich nicht wissen. Wie bist du darauf gekommen, dort nach mir zu suchen? «
    » Ich habe einen Brief von Anne bekommen. Aus England. Elizabeth… « Seine Miene verdüsterte sich, und von jäher Angst erfasst, trat sie einen Schritt zurück.
    » Ein Brief von Anne? « Ihre Stimme klang brüchig. » Was… Oh Gott… « Sie holte Luft, und die nächsten Worte schrie sie beinahe. » Was hat sie geschrieben? Ist Duncan… Ist er… « Sie konnte es nicht aussprechen. Ihre Kehle fühlte sich ausgedörrt an. Mit wild klopfendem Herzen starrte sie William an.
    » Anne schrieb, er sei schwer verletzt. Mehr weiß ich auch nicht. « Beruhigend umfasste er ihre Schultern, sein Griff war fest. » Er kann sich längst wieder erholt haben. «
    Sie hatte angefangen zu zittern, und wenn er sie nicht gehalten hätte, wäre sie in den Knien eingeknickt.
    » Von wann stammt der Brief? Hast du ihn mitgebracht? Kann ich ihn lesen? «
    » Gewiss. « Offenbar hatte er mit dieser Bitte gerechnet, denn rasch zog er das Schreiben aus seiner Gürteltasche und reichte es ihr. Mit bebenden Händen entfaltete sie es. Die Buchstaben zerflossen vor ihren Augen. Die ganze Zeit starrte sie nur auf jene eine Stelle, die ihren schlimmsten Befürchtungen Ausdruck verlieh.
    … dass Duncan auf Leben und Tod daniederliegt. Der Bote meinte, es stehe nicht gut um ihn …
    Ihr Blick glitt zurück an den Anfang des Briefs. Das Datum… Wie viele Wochen waren seitdem verstrichen? Zu ihrer Beschämung wusste sie es nicht. Sie kam sich dumm vor, weil sie William danach fragen musste, doch auch hier kam seine Antwort sofort, als hätte er ihre Hilflosigkeit vorausgesehen.
    » Es ist genau zehn Wochen her « , sagte er.
    Sie fing an zu rechnen. Zehn Wochen… Eine schwere Verletzung, vielleicht eine, die ihn lange ans Bett gefesselt und lange gebraucht hatte, um zu heilen… Es war durchaus möglich, dass er… Ihre Gedanken überschlugen sich und gerieten in einen beklemmenden Sog. Ebenso gut war es möglich, dass er es nicht überstanden hatte. Duncan Haynes, der Pirat. Er hatte gefährlich gelebt und war dem Tod häufiger von der Schippe gesprungen, als eine Katze Leben hatte. Sein Körper war von so vielen Narben gezeichnet, jede einzelne dieser Wunden hätte sein Ende sein können. Immer wieder hatte er dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen und war davongekommen. Doch niemandes Vorrat an Glück war unerschöpflich, auch der seine nicht. Überleben kann nur der Gewinner – das war eine seiner Lebensweisheiten gewesen, fast schon ein Leitspruch. Aber am Ende hatte er vielleicht doch verloren.
    Elizabeth stand mit hängenden Armen vor William, bis in die Grundfesten erschüttert. Der Brief war ihr unbemerkt entglitten

Weitere Kostenlose Bücher