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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schnitt es zu Duncans Schrecken auf Schulterlänge ab. Als er sich darüber beschwerte, dass sie ihrem Freiheitsdrang noch ihre ganze Weiblichkeit opferte, lachte sie ihn aus und bewarf ihn mit Sand, bis er sie stürmisch in seine Arme zog und sie liebte, als wäre es das erste Mal.
    Auf einem ihrer Ausflüge wanderten sie gemeinsam ein Stück weit ins Landesinnere, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Sie entdeckten einen verwunschenen Wasserfall und badeten dort wie Adam und Eva im Paradies. Als sie über die flachen Felsen kletterten, sahen sie durchscheinend rosafarbene Echsen, die blitzartig davonhuschten, als sie ihnen zu nahe kamen. Auf dem Rückweg stieß Elizabeth auf ein Insekt, fast so lang wie ihr Unterarm, das auf täuschende Weise einem Zweig glich. Sie erschrak heftig, als es plötzlich Beine bekam und sich eilig davonmachte.
    Den letzten Tag vor seiner Abreise verbrachten sie gemeinsam mit den Kindern. Duncan trug abwechselnd Faith umher oder spielte mit Johnny. Sie saßen mit ihren Gastgebern auf der Veranda und tranken Tee, bis ihnen Yvettes Geplapper zu viel wurde und sie unter einem Vorwand das Weite suchten. In der Nacht stahlen sie sich aus dem Haus und gingen durch das raschelnde Tabakfeld hinauf zu Elizabeths Lieblingsplatz, wo sie sich im Licht des vollen Mondes ein letztes Mal liebten.
    Am nächsten Morgen ging es ans Abschiednehmen. Duncan wollte bei Sonnenaufgang auslaufen. Johnny weinte herzzerreißend; er wollte nicht begreifen, warum er nicht mitfahren durfte. Auch Faith stimmte in sein Schluchzen ein, als hätte sie die Dramatik dieses Augenblicks bereits begriffen. Elizabeth wiederum hatte Mühe, ihre eigenen Tränen zu unterdrücken, doch sie schaffte es irgendwie. Sie wollte sich nicht vor Duncans Männern, deren Erheiterung angesichts dieser Abschiedsszene nicht zu übersehen war, zum Narren machen, zumal auch Felicity sich keinen Zwang auferlegte und zum Steinerweichen heulte.
    Einmal noch nahm Duncan seine Frau in die Arme und versprach ihr, bald zurückzukommen, bevor er auf das Beiboot stieg und mit John zum Schiff hinüberruderte, wo die Mannschaft bereits versammelt war. Zena ging mit Faith und Felicity zurück zum Anwesen der Perriers, während Elizabeth mit Johnny am Strand blieb und zusah, wie auf der Elise die Segel gesetzt wurden. Duncan winkte ihr vom Achterdeck aus zu, und sie winkte zurück. Während das Schiff sich langsam entfernte, schaute sie ihm mit brennenden Augen nach.
    Unversehens empfand sie ein Gefühl namenloser Bedrohung, fast so wie in ihren schlimmsten Albträumen. Es war wie eine der dunklen Vorahnungen, die sie seit jener Nacht auf Summer Hill im vergangenen Jahr gequält hatten. Damals hatte sie schlafgewandelt und dabei Celia beobachtet, wie sie zum wilden Klang der Negertrommeln einen archaischen Tanz aufgeführt hatte, die nackten Arme mit dem Blut eines Opfertiers bestrichen. Es war nur ein Traum gewesen, aber die Visionen des bevorstehenden Unheils hatten sie nicht losgelassen. Sie hatte vorausgesehen, dass etwas Schlimmes passieren würde. So ähnlich fühlte sie sich jetzt. Es war verkehrt, dass Duncan gefahren war, er hätte jetzt hier sein müssen! Ihr Inneres flüsterte es ihr zu, immer wieder. Elizabeth spürte die Gefahr wie einen Schatten. Komm zurück, rief sie Duncan stumm über das Meer zu. Lass mich nicht allein! Doch es war zu spät. Gefangen zwischen dem Abschiedsschmerz und der konturlosen Furcht vor dem nahen Bösen, sah sie die Elise im Dunst der Ferne verschwinden.
    Deirdre packte mit an, als Oleg und Jerry den Fang an Land brachten. Zu dritt schleppten sie den in Kübel gefüllten Inhalt der Reusen ans Ufer, um ihn dort zu sortieren. Die Luft war um diese frühe Tageszeit noch angenehm frisch. Vorhin hatte es in kräftigen Schauern geregnet, und als die Wolken wieder aufgerissen waren, hatte sich ein leuchtender Regenbogen gebildet, der sich über den halben Himmel zog. In ein paar Minuten würde er verblasst sein, doch für Deirdre war jeder Regenbogen wie ein Hoffnungsschimmer, und sie war froh, dass es so viele davon gab. Sie waren wie ein Symbol der Erneuerung. Nach jedem Unwetter folgt Sonnenschein, das hatte Edmond einmal gesagt, als sie im Dschungel von Barbados vor schwerem, von Blitz und Donner begleitetem Schlagregen in die undichte Hütte geflüchtet waren und dort prustend und pitschnass das Ende des Gewitters abgewartet hatten. In ihrem Versteck in der Wildnis hatten sie damals harte, entbehrungsreiche Wochen

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